Radio QueerLive – Eine Berliner Liebesgeschichte
Teil 77
„Die Honeckers undercover“
Es war Sonntagabend, und Tom tigerte nervös durch das Wohnzimmer. Frau Bond hatte gerade ihr zweites Glas Weißwein ausgetrunken, während sie Tom erklärte, dass Philipp in der Vergangenheit im DDR-Knast hockte. Tom knallte die Hände auf den Tisch.
Tom: „Wir müssen ihn da rausholen! Und zwar sofort.“
Frau Bond: „Das dachte ich mir schon. Aber so einfach ist das nicht. In die DDR kommst du 1985 nicht einfach rein. Da brauchst du einen Personalausweis.“
Tom: „Dann besorgen wir uns eben welche. Ich weiß, wo!“
Frau Bond blinzelte ihn skeptisch an.
Frau Bond: „Sag bloß … du meinst Neukölln?“
Tom: „Ganz genau! Karl-Marx-Straße, Seitenstraße, so ein Laden, der fast alles machen kann.“
Frau Bond: „Oh Gott. Wir retten Philipp vor der Stasi und landen am Ende selber im Stasiknast.“
Doch Tom ließ nicht locker. Wenige Minuten später saßen sie in der U8 Richtung Hermannplatz.
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Copyshop Neukölln
In einer düsteren Seitenstraße standen sie schließlich vor einem Schild: „Copyshop – Wir haben fast alles!“.
Frau Bond: „Fast alles? Klingt schon mal vertrauenserweckend … nicht?“
Tom: „Ach, sei doch mal optimistisch.“
Innen roch es nach Toner und kaltem Kaffee. Hinterm Tresen stand ein arabischer Typ mit langem Bart, die Zigarette im Mundwinkel.
Verkäufer: „Was brauchst du? Wir haben fast alles.“
Tom: „Personalausweise.“
Verkäufer: „Hm. Kostet Geld, viel Geld.“
Frau Bond: „Wir brauchen DDR-Ausweise.“
Der Mann prustete los vor Lachen.
Verkäufer: „DDR? Haha! Touris! Das billig, 25 Euro pro Stück.“
Frau Bond schlug sich die Hand vor die Stirn.
Frau Bond (murmelnd): „Wir landen im Knast, aber immerhin im Sonderangebot.“
Sie mussten sich im Hinterzimmer auf einen Hocker setzen, es wurden Fotos mit einer alten Digitalkamera gemacht. Nach einer halben Stunde hielt jeder von ihnen einen funkelnagelneuen DDR-Ausweis in der Hand.
Tom: „Perfekt. Wir sind offiziell Ostbürger. Auf geht’s in die Vergangenheit!“
Frau Bond: „Tom, Neukölln lag 1985 im Westen. Schon mal an die Mauer gedacht?“
Tom: „Ach so … ja, stimmt. Na gut, dann eben wieder Alexanderplatz.“
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Zurück zum Alex und auf in die DDR
Im alten U-Bahn-Tunnel der Linie U2, im Ostteil, legte Frau Bond Tom die Hand auf die Stirn. Zisch! Ein kurzer Schwindel – und sie standen im Jahr 1985.
Die Weltzeituhr war in Sichtweite. Tom flirtete sofort mit zwei Typen in 80er-Jahre-Lederjacken. Frau Bond rollte nur die Augen. Aber keiner wusste etwas von der Razzia. Schließlich machten sie sich auf in Richtung Friedrichshain.
Am Märchenbrunnen im Park bestätigte ihnen ein junger Mann:
Zeuge: „Ja, da war ’ne Razzia. Die haben alle mitgenommen, direkt ins Polizeipräsidium am Alexanderplatz.“
Frau Bond und Tom stapften zurück in Richtung Alexanderplatz. Je näher sie dem grauen Betonbau kamen, desto mehr wurde Tom nervös.
Die Ausweise
Kurz vor dem Eingang blieben sie stehen.
Tom: „Wir sollten lieber nochmal die Ausweise checken.“
Frau Bond: „Endlich mal eine gute Idee von dir.“
Sie zogen die Papiere hervor. Tom hielt seinen hoch und las laut.
„Na, perfekt. Äh … Moment mal. Erich Honecker?“
Frau Bond starrte auf ihren eigenen Ausweis. „NEIN! Hier steht Margot Honecker!“
Tom: „Hm. Komische Namen, aber was soll’s, da kommt man schon durch.“
Frau Bond: „Bist du irre?! Das sind der Staatsratsvorsitzende der DDR und seine Frau! Wenn wir da reingehen, sitzen wir gleich in der Nachbarzelle von Philipp!“
Tom biss sich auf die Lippe. Frau Bond war kurz davor, ihn zu erwürgen.
Unerwartete Wendung
Da öffnete sich plötzlich die schwere Tür des Präsidiums. Zwei Volkspolizisten schoben Philipp hinaus – zusammen mit einem jungen Mann, kaum älter als 25.
Philipp hatte verweinte Augen. Und bevor Frau Bond oder Tom reagieren konnten, drehte sich der Unbekannte zu Philipp, küsste ihn schnell auf den Mund und flüsterte: „Pass auf dich auf.“ Dann verschwand er im Dunkeln .
Tom schnappte nach Luft und biss sich so fest auf die Lippe, dass sie fast blutete.
Tom: „WAS war das denn bitte?!“
Philipp (heulend): „Die haben meinen Namen, meine Fingerabdrücke. Ich steh jetzt auf irgendeiner rosa Liste bei der Volkspolizei!“
Frau Bond legte beruhigend den Arm um ihn. „Komm, wir bringen dich heim.“
Sie legte beiden Männern die Hand auf die Stirn, und in einem Augenblick standen sie wieder im Wohnzimmer von Prenzlauer Berg.
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Verhör à la Tom
Philipp atmete erleichtert durch. Frau Bond verabschiedete sich mit den Worten: „Das war mir zu viel. Ich brauch jetzt endlich meinen verdammten Erdbeerkuchen.“
Sie rauschte ab. Philipp wollte sich gerade aufs Sofa fallen lassen, doch Tom hatte umdekoriert: Zwei Stühle standen sich gegenüber, dazwischen ein Tisch, auf dem eine Lampe stand.
Philipp: „Ähm … was soll das?“
Tom (klickt die Lampe an und dreht sie in sein Gesicht): „Willkommen im Verhörraum.“
Philipp: „Das erinnert mich gerade sehr unangenehm an das Präsidium der Volkspolizei…“
Tom (grinsend): „Genau! Und jetzt erzähl mir: Wer war DER Typ, mit dem du im DDR-Klo rumgemacht hast?“
Philipp schluckte so schwer, als hätte er einen Frosch im Hals. „Vielleicht wäre ich doch lieber im Knast der Volkspolizei geblieben …“
Tom grinste etwas böse. „Ja das wäre möglich.“
Ende Teil 78
Morgen geht’s weiter um 20.00 Uhr
