❤️🧡💛 Philipp und Tom 💚💙💜

Radio QueerLive – Eine Berliner Liebesgeschichte
Teil 4

Das zweite Wohnzimmer und der Horror danach

Der Abend begann sanft, beinahe zärtlich. Philipp und Tom spazierten durch den Volkspark Friedrichshain, der in das milde Licht des frühen Sommerabends getaucht war. Die Bäume rauschten leise im Wind, irgendwo spielte jemand Gitarre, und ein Kind lachte übermütig auf einem Roller. Die Welt schien für einen Moment ganz ruhig zu sein.

„Ich liebe den Park“, sagte Philipp. „Der ist wie ein kleines Versteck in der großen Stadt.“

„Ich hab hier mal eine ganze Nacht verbracht“, erzählte Tom. „Nach einer dieser legendären Nächte in der Busche. Wir sind morgens hier gelandet. Haben über das Leben philosophiert. Und dann, irgendwann, geschlafen wie Babys auf der Wiese.“

Philipp lächelte. „Das klingt nach Berlin.“

„Ist es auch“, sagte Tom. „Deswegen wollt ich dir heute mal zeigen, wie die Nächte hier aussehen können – wenn man sich traut.“

Philipp schaute ihn neugierig an. „Was meinst du?“

„Na ja… ich dachte, wir könnten heute Abend in den Marienhof gehen.“

Philipp hielt kurz inne. „In eine Bar? Eine… also… so richtig?“

Tom nickte.

Philipp biss sich auf die Lippe. „Ich war noch nie in einer Gay-Bar.“

Tom sah ihn überrascht an. „Noch nie?“

„Ich hab’s ein paar Mal versucht. Ich stand schon davor. Aber allein… ich krieg so ein komisches Gefühl. So’n Druck auf der Brust. Mein Magen flattert. Ich dreh dann immer wieder um.“

Tom blieb stehen. „Ich versteh dich. Ich kenn das. Aber heute bist du nicht allein.“

Philipp sah ihn an. Die Sonne war schon fast hinter den Baumkronen verschwunden, nur noch ein rotgoldener Schimmer war übrig. „Okay“, sagte er schließlich. „Dann zeig mir dein Berlin.“

Sie verließen den Park und liefen durch die ruhige Marienburger Straße, wo die Altbauten von Prenzlauer Berg ihre Geschichten in das Kopfsteinpflaster flüsterten. Es roch nach Abendbrot und blühendem Holunder. Die Straßenlaternen gingen langsam an.

Schließlich erreichten sie den Marienhof – eine unscheinbare Tür, dahinter aber ein ganzes Universum aus Glanz, Geschichten und Gin Tonic. Drinnen war es schummrig, gemütlich, lebendig.

Jutta Jägermeister stand wie immer hinter dem Tresen. Legendär. Ihre Haare im grauen Dutt, ein Tuch mit Regenbogenprint um den Hals und ein Blick, der durch die Haut in die Seele sah.

„Na, Tom!“, rief sie und hob ein Glas. „Und wen hast du denn da angeschleppt? Frischfleisch?“

Philipp wurde rot, Tom grinste. „Jutta, benimm dich. Das ist Philipp.“

„Philipp! Wie himmlisch. Willkommen in deinem neuen Wohnzimmer. Was trinkt ihr?“

„Zwei Berliner Luft“, sagte Tom, „zum Eingewöhnen.“

Sie setzten sich auf die hohen Barhocker, von wo aus man fast das ganze Lokal überblicken konnte. Eine bunte Mischung saß dort: Pärchen, Freunde, ein paar alleinstehende Männer, die über ihre Gläser hinweg schauten. Die Musik war leise, oldschool – ein bisschen Madonna, ein bisschen Rosenstolz.

„Wie fühlst du dich?“, fragte Tom.

„Komisch. Aber irgendwie auch… gut“, sagte Philipp. „Als wäre ich angekommen. Oder zumindest auf dem Weg dahin.“

Sie stießen an, lachten, redeten über Filme, Serien, Berlin und Provinz – als plötzlich eine Stimme aus der Vergangenheit auftauchte.

„Na, wenn das nicht mein Lieblings-Ex ist.“

Tom erstarrte. Philipp drehte sich um.

Jan.

Groß. Selbstbewusst. Mit dieser unangenehmen Aura, als gehöre ihm jeder Raum, den er betritt.

„Jan“, sagte Tom. „Was machst du hier?“

„Na, das ist doch immer noch mein Wohnzimmer, oder?“ Er grinste süffisant und stellte sich direkt neben Tom – viel zu nah. „Und du bringst Spielzeug mit?“

Philipp spürte sofort, wie sich etwas in ihm zusammenzog.

„Das ist Philipp“, sagte Tom kühl.

„Wie alt bist du, Philipp? 18? Oder bist du eins dieser Landei-Projekte, die sich Berlin kurz schönreden wollen?“

„Hör auf“, sagte Tom, aber Jan war noch nicht fertig.

„Guck ihn dir doch an. Wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Süß. Aber nicht stadtfest.“

Philipp sah Tom an. Seine Wangen waren rot, aber nicht mehr vor Scham. Sondern vor Wut.

„Weißt du, Tom“, sagte Jan nun leiser, beugte sich an Philipp vorbei, „mit uns damals war’s wenigstens leidenschaftlich. Nicht so eine Kinderspielplatz-Romanze.“

Dann legte er Tom die Hand auf den Oberschenkel.

Tom schob sie weg. „Hör auf, Jan. Ernsthaft.“

„Aber ich vermiss dich. Und das hier? Das wird eh nichts. Der Junge da wird bald nach Hause fahren und Mama erzählen, wie aufregend Berlin war.“

Philipp stand auf. „Ich geh.“

„Philipp, warte“, rief Tom.

Doch Jan griff nach Toms Arm. „Du willst echt gehen lassen, was du mit mir hattest, für sowas?“

„Jan. Wenn du mich jetzt nicht loslässt…“

Doch Philipp war schon draußen.

Jutta stellte schweigend zwei Schnäpse vor Tom ab.

„Auf Exen, die nie wirklich gehen“, sagte sie. „Und auf Neue, die hoffentlich bleiben.“

Tom trank in einem Zug. Sein Blick blieb auf der Tür. Dort draußen lief jemand davon, der nicht einfach nur süß war – sondern mutig. Und ehrlich. Und genau der Richtige.

Ende Teil 4 – Fortsetzung folgt morgen um 20.00 Uhr

Gute Nacht