USA, Schiffsumbenennung

Wenn rechte Symbolpolitik Cancel Culture betreibt

Im Juni, dem internationalen Pride Month, soll Vielfalt gefeiert und Diskriminierung bekämpft werden. Ausgerechnet zu Beginn dieses Monats hat US-Verteidigungsminister Pete Hegseth nun ein deutliches Signal in die entgegengesetzte Richtung gesendet: Er ordnete laut mehreren übereinstimmenden Medienberichten an, das Versorgungsschiff „USNS Harvey Milk“ umzubenennen.
Ein Schritt, der nicht nur Symbolpolitik ist, sondern auch als direkte Kampfansage an die LGBTQ+-Community verstanden werden kann.

Harvey Milk war nicht nur ein Navy-Veteran, sondern vor allem eine der zentralen Figuren der schwulen Bürgerrechtsbewegung in den USA. 1977 wurde er als erster offen homosexueller Politiker in ein öffentliches Amt gewählt – ein Meilenstein in der amerikanischen Geschichte. Seine Ermordung 1978 machte ihn zur Ikone eines jahrzehntelangen Kampfs um Gleichberechtigung.

Dass ausgerechnet sein Name nun von einem Schiff der US-Marine entfernt werden soll, sendet eine klare politische Botschaft. Es ist ein Bruch mit der symbolischen Anerkennung queerer Geschichte in staatlichen Institutionen – und ein weiterer Beweis dafür, dass die sogenannte „Cancel Culture“ längst nicht nur ein Phänomen linker Aktivisten ist, sondern auch von rechts gezielt betrieben wird.

Doppelte Standards und ideologische Umdeutung

Noch 2023 wurden in den USA mehrere Kriegsschiffe umbenannt, deren Namensgeber Generäle der Konföderierten waren – Männer, die im Bürgerkrieg für den Erhalt der Sklaverei kämpften.
Diese Entscheidungen stützten sich auf Empfehlungen einer überparteilichen Kommission und waren ein Versuch, historisches Unrecht nicht weiter durch staatliche Ehrung zu normalisieren.

Im Gegensatz dazu geht es Hegseth offenbar nicht um eine kritische Auseinandersetzung mit belasteter Geschichte, sondern um eine revisionistische Politik, die queere Sichtbarkeit zurückdrängen soll. Mit dem Streichen des Namens Harvey Milk wird kein dunkles Kapitel der US-Geschichte aufgearbeitet – im Gegenteil: Ein Mann, der für Offenheit, Mut und Gleichberechtigung steht, wird aus dem öffentlichen Gedächtnis gedrängt.

Ein Angriff auf Diversität im Militär

Die Entscheidung passt in ein größeres Muster: Die Regierung unter Präsident Hegseth setzt zunehmend auf Maßnahmen, die Programme für Diversität, Gleichstellung und Inklusion („DEI“) einschränken oder ganz abschaffen. Besonders das Militär, lange Zeit eine Vorreiterin in der Anerkennung queerer Rechte – man denke etwa an die Aufhebung von „Don’t Ask, Don’t Tell“ – gerät nun ins Visier konservativer Kulturkämpfer.

Dass gerade das Verteidigungsministerium ein Symbol der LGBTQ+-Bewegung entfernt, ist mehr als nur ein symbolischer Akt. Es ist ein Eingriff in die Repräsentation von Minderheiten in staatlichen Strukturen – und damit ein gefährliches Signal an queere Soldatinnen und Soldaten sowie an die Gesellschaft insgesamt.

Was bleibt?

Die Entscheidung, die „USNS Harvey Milk“ umzubenennen, zeigt: Auch Namen sind Macht. Und wer benennt, gestaltet Erinnerung. Pete Hegseth nutzt diese Macht, um eine identitätspolitische Rückabwicklung zu betreiben – ausgerechnet im Pride Month. Damit wird nicht nur ein Symbol queerfreundlicher Politik beschädigt, sondern auch eine Tür geöffnet für die gezielte Auslöschung unbequemer Erinnerung aus dem kollektiven Bewusstsein.

Der Pride Month sollte ein Anlass zur Sichtbarkeit und Solidarität sein. Hegseths Entscheidung macht schmerzhaft deutlich, wie nötig diese Sichtbarkeit weiterhin ist.

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Die Redaktion