❤️🧡💛 Philipp und Tom 💚💙💜

Radio QueerLive – Eine Berliner Liebesgeschichte
Teil 5:

Funkstille

Berlin, ein paar Tage nach dem Vorfall im Marienhof.
Draußen rauscht der Verkehr durch nasse Straßen. Das Licht ist stumpf, die Luft schwer – so wie die Stimmung zwischen zwei Menschen, die kurz davor waren, sich wirklich zu finden.

Philipp sitzt allein in seinem WG-Zimmer in Friedrichshain, die Knie angezogen, das Handy stumm. Die letzte Nacht war kurz. Er hatte kaum geschlafen. Immer wieder hatte sich die Szene in der Bar abgespielt. Toms Ex-Freund – Jan – der sich mit arrogantem Grinsen zwischen sie geschoben hatte. Die abfälligen Blicke. Die mitleidigen Sprüche. „Der ist doch viel zu brav für dich, Tom. Den vergisst du in zwei Tagen wieder.“ Und Tom… Tom hatte nichts gesagt. Oder nicht genug.

Philipp hatte alles gesehen, gespürt. Den Blick von Tom, als Jan ihn am Arm festhielt. Die Hilflosigkeit. Aber es war zu spät gewesen. Das flaue Gefühl im Magen hatte sich in Wut verwandelt. Und Schmerz. Und Stolz.

Er hatte Toms Nummer noch auf dem Heimweg blockiert.

Im Prenzlauer Berg, nur ein paar Kilometer entfernt, lag Tom auf der Couch. Um ihn herum verstreut lagen leere Teetassen, eine zerknüllte Serviette aus der Bäckerei von gestern, und sein Handy – stumm geblieben seit Stunden.

Er hatte es versucht. Nachrichten geschrieben. Geklingelt. Noch eine Nachricht. „Bitte, Philipp. Das war nicht so, wie es aussah.“ Aber nichts kam zurück. Bis irgendwann nur noch dieser eine, kalte Hinweis kam: „Nachricht nicht zugestellt.“

Tom war blockiert.

Er ließ sich tiefer ins Kissen sinken, fuhr sich durch die Haare, Tränen liefen über sein Gesicht. Scheiße, scheiße, scheiße.
Was jetzt?

Er dachte an den Moment im Märchenbrunnen. Wie Philipp sich neugierig zur Seite gedreht hatte, als Tom laut lachend Radio QueerLive gehört hatte. Wie er ihn angesprochen hatte, ganz schüchtern, mit diesem glitzernden Blick, der ihm bis heute nicht aus dem Kopf ging.

Und da war sie wieder: Radio QueerLive. Die Geschichte hatte dort angefangen. Warum sollte sie nicht auch dort… eine neue Chance bekommen?

Tom schnappte sich sein Handy, öffnete die Website des Senders. Eine Livesendung am Abend, Thema: „Liebe in Berlin – Zwischen Partywochenende und Barhocker“

Perfekt.

Er schrieb eine Nachricht an die Redaktion:
„Ich heiße Tom. Ich suche jemanden. Es war meine Schuld. Ich möchte erklären, warum ich damals nichts gesagt habe. Vielleicht hört er zu.“

Wenige Minuten später klingelte sein Handy. Ein Redakteur. Er fragte freundlich, ob er bereit wäre, live ins Studio zu kommen. Seine Stimme zitterte, aber er sagte zu.

Am Abend betrat Tom mit pochendem Herzen das Studio von Radio QueerLive in Friedrichshain. Die Wände waren mit bunten Plakaten tapeziert, aus dem kleinen Fenster sah man den Fernsehturm glimmen. Der Moderator – Jakob – grinste ihm aufmunternd zu.

„Also Tom… erzähl uns. Wer ist Philipp?“

Tom schluckte. Dann begann er zu reden. Über den Märchenbrunnen. Die Spaziergänge. Die Weltzeituhr. Den Müggelsee. Wie Philipp ihn ansah, wenn er lachte. Und über den Marienhof. Über Jan. Und dass er zu langsam war. Zu feige. Dass er sich das selbst nicht verzeihen konnte.

„Ich weiß nicht, ob er zuhört“, sagte Tom zum Schluss. „Aber falls ja… ich würd alles tun, um dich noch einmal zu sehen.“

Im selben Moment saß Philipp wieder in seinem Zimmer. Die Decke halb über dem Kopf, ein Kakao in der Hand – und das Radio leise aufgedreht. Er hatte eigentlich gar nicht mehr zugehört, doch dann… diese Stimme. Die Worte. Tom?!?

Er hielt den Atem an. Alles kam zurück.

Der Moderator beendete das Gespräch und fügte noch hinzu:
„Falls du das gehört hast, Philipp – melde dich bei uns. Oder ruf gleich durch.“

Und das tat er. Mit zitternder Hand.

Im Studio ist es für einen Moment ganz still. Nur ein leises Rauschen liegt auf der Leitung. Tom sitzt noch immer vor dem Mikrofon, seine Hände sind kalt, seine Knie wippen nervös. Der Moderator schaut ihn fragend an – und dann:

Das Telefon klingelt.

„Oh“, sagt Jakob ins Mikro, „vielleicht… Moment…“
Ein Knacken. Eine Stimme, zögerlich, leise.

„Hallo? Hier ist… Philipp.“

Tom stockt der Atem. Seine Augen weiten sich. Er hält den Kopf leicht schräg, als würde er sich vergewissern, dass das gerade wirklich passiert.

„Philipp?“, fragt er heiser.

Am anderen Ende der Leitung ist es kurz still. Dann spricht Philipp weiter.
„Ich… ich hab zugehört, Tom. Die ganze Zeit. Schon seit du angefangen hast zu reden. Und ich… ich wollte zuerst nicht glauben, dass du es wirklich bist. Aber dann…“ – seine Stimme bricht – „dann hast du vom Müggelsee erzählt. Und von dem Tag im Boot. Und… na ja, ich war wieder da. Im Kopf. Ganz bei dir.“

Im Studio schluckt Tom. Er sagt leise: „Ich hab dich nie vergessen. Auch nicht, als du meine Nummer blockiert hast.“

Philipp antwortet schnell, als hätte er genau das erwartet. „Es tut mir leid. Ehrlich. Ich war verletzt. Ich hab… zu schnell dichtgemacht. Ich dachte, du willst mich nicht verteidigen. Aber ich hab nicht gesehen, wie überfordert du warst. Ich war… kindisch. Und unfair.“

Der Moderator blickt rührselig zwischen den beiden hin und her – ganz so, als säße Philipp mit im Raum.

„Ich hätte wissen müssen, dass Jan nicht für dich spricht“, fährt Philipp fort. „Und dass er nur Teil einer Szene ist, die manchmal laut und grell ist, aber nicht du. Du bist… anders.“

„Ich bin immer noch der mit den nassen Schuhen vom Müggelsee“, sagt Tom leise.

Philipp lacht. Und es klingt wie Erleichterung, wie ein Knoten, der platzt.
„Dann will ich dich nochmal treffen, nasser Typ.“

„Wann?“, fragt Tom.

„Sonntag 15.00 Uhr. Gleiche Bank. Märchenbrunnen.“

„Deal.“

Und dann sagt Philipp noch etwas, was viele Radiohörer im ganzen Großraum Berlin in diesem Moment nicht mehr vergessen werden:
„Ich hab deine Nummer wieder freigegeben. Ruf mich an, okay?“

Der Moderator wischt sich verstohlen die Tränen aus den Augen.
Die Musik setzt ein. Und draußen, irgendwo zwischen Friedrichshain und Prenzlauer Berg, beginnt Berlin wieder ein kleines bisschen zu leuchten.

Teil 5 ist Ende – morgen geht’s weiter um 20.00 Uhr

Gute Nacht