Ein Rückschritt mit Ansage?Streit um die Aufhebung der Equal Benefits Ordinance in San Francisco

San Francisco gilt vielen als liberales Vorbild, als Leuchtturm progressiver Politik – besonders für die LGBTQ+-Community. Umso größer ist die Aufregung, seit ein schwuler Stadtabgeordneter die Rücknahme eines einst bahnbrechenden Gleichstellungsgesetzes fordert: der Equal Benefits Ordinance (EBO).

1997 eingeführt, verpflichtete die Verordnung städtische Auftragnehmer dazu, gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern dieselben Leistungen zu gewähren wie heterosexuellen Ehepartnern. Ein politischer Meilenstein, Jahre bevor die „Ehe für alle“ Realität wurde. Nun, fast drei Jahrzehnte später, will ausgerechnet Supervisor Matt Dorsey, selbst offen schwul, die EBO kippen – mit dem Argument, sie sei nach dem Supreme-Court-Urteil Obergefell v. Hodges von 2015 überholt.

„Heute ist die Verordnung nicht mehr vertretbar“, sagte Dorsey dem Bay Area Reporter. Die Gleichstellung sei erreicht, die Zusatzkosten nicht mehr notwendig. Doch viele aus der Community sehen das ganz anders – und reagieren mit scharfer Kritik.

Allen voran Tom Ammiano, Urheber der EBO und ebenfalls schwul, der im Interview sagte: „Es ist sehr beunruhigend, das zu hören – besonders von einem schwulen Mann.“ Auch Jeff Sheehy, früherer Supervisor und Mitstreiter für die Verordnung, warnt: „Warum machen wir einen Rückschritt? Warum schließen wir eine Möglichkeit, die wir vielleicht brauchen?“ Mit Blick auf die aktuellen gesellschaftlichen Spannungen und Angriffe auf LGBTQ+-Rechte erscheint der Schritt nicht nur riskant, sondern geradezu unzeitgemäß.

Trotz der Kritik hält Dorsey an seinem Vorstoß fest. In einem Schreiben an das Büro des Legislativanalysten bittet er um eine Kostenaufstellung zur Durchsetzung der EBO – ein Schritt, der darauf hindeutet, dass finanzielle Aspekte hier schwerer wiegen als politische oder symbolische.

Rafael Mandelman, ebenfalls offen schwul und zuständig für das Castro-Viertel, äußerte sich vorsichtig. Zwar erkenne er die historische Bedeutung der EBO an, sehe aber auch, dass die Vorschrift heute Unternehmen abschrecke. Für ihn ist klar: Sollte man sie aufheben, müsse dies „umsichtig“ geschehen.

Was hier auf den ersten Blick wie ein bürokratischer Vorgang wirkt, ist in Wahrheit ein Spiegel gesellschaftlicher Spannungen: Fortschritte, die gestern als historisch gefeiert wurden, stehen heute zur Disposition – oft unter dem Vorwand der Effizienz oder Modernisierung. Und das in einem Moment, in dem die Rechte queerer Menschen in den USA wieder vermehrt unter Druck geraten.

Dorsey hat zwar zugesagt, eine Wiedereinführungsklausel im Falle einer Rücknahme des Obergefell-Urteils aufzunehmen – doch vielen Aktivist*innen reicht das nicht. Sie sehen in seinem Vorstoß ein gefährliches Signal: dass selbst progressive Städte bereit sind, Grundsatzentscheidungen rückgängig zu machen, wenn die politische Lage es „erlaubt“.

Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack – und die Erinnerung an Harvey Milks Warnung: „Du musst immer über die Schulter schauen.“ Gerade heute.

Radio QueerLive
News Redaktion