Mit ihrer Inthronisierung als 15. Erzbischöfin von Wales hat Cherry Vann nicht nur Kirchengeschichte geschrieben – sie setzt auch ein deutliches Zeichen für eine inklusivere Zukunft innerhalb der anglikanischen Gemeinschaft. Als erste lesbische und erste weibliche Leiterin der Church in Wales tritt sie ihr Amt mit einer Botschaft an, die ebenso einfach wie kraftvoll ist: „Wir müssen lernen, einander als Menschen zu begegnen.“
Ein historischer Moment in Newport
Am 8. November nahm Vann in der St. Woolos Kathedrale in Newport erstmals auf dem erzbischöflichen Stuhl Platz – ein Moment, den die 66-Jährige als „wunderbar inspirierend und festlich“ beschreibt. Ihre Ernennung wurde von vielen gefeiert, stieß jedoch auch auf Widerstand konservativer Stimmen, die sich insbesondere an ihrer sexuellen Orientierung stören.
Vann begegnet diesen Angriffen mit einer bemerkenswerten Mischung aus Klarheit und Gelassenheit. Menschen, die ihr vorurteilbehaftete Nachrichten geschrieben hätten, würden sie nicht kennen, sagt sie. „Sie haben sich nicht die Mühe gemacht zu fragen, wie ich als Christin meinen Glauben mit meiner Sexualität vereinbare.“
Ihre Antwort darauf ist einladend statt abgrenzend: „Lasst uns zusammensetzen und miteinander reden. Lasst uns versuchen, einander zu verstehen.“ Für Vann ist Dialog der erste Schritt zu echter Einheit.
Berufen – und bestätigt – trotz Widerstand
Vann ist überzeugt, dass ihre Wahl zur Erzbischöfin sowohl theologisch als auch kirchenpolitisch ein klares Signal setzt. „Ich weiß, dass ich diese Rolle innehabe, weil Gott mich hier haben will“, sagt sie. Die Entscheidung der Kirche gebe ihr „Zuversicht, Hoffnung und Kraft“, selbst dort zu stehen, wo manche ihr diese Position nicht zugestehen möchten.
Sie warnt vor politischen und ideologischen Gräben, die den christlichen Auftrag zu Mitmenschlichkeit und Begegnung unterlaufen: „Tief verwurzelte Überzeugungen – wenn sie uns dazu verleiten, Annahmen über Menschen zu treffen, die wir noch nie getroffen haben – stehen unserer menschlichen Beziehung im Weg.“
Die anglikanische Gemeinschaft im Wandel
Im kommenden Jahr wird Vann an mehreren internationalen Begegnungen teilnehmen – darunter die Inthronisierung der neuen Erzbischöfin von Canterbury, Sarah Mullally, im März 2026. Mullallys Ernennung zur ersten Frau an der Spitze der Church of England hat besonders in konservativen Kirchen Afrikas und Asiens für Irritationen gesorgt.
Vann hofft dennoch auf breite Teilnahme: „Ich hoffe, dass sie nicht aufgrund unseres Geschlechts fernbleiben werden.“ Ein Fernbleiben würde bedeuten, sich dem Wirken Gottes zu verschließen, sagt sie. Ihre Vision: ein Weg der Heilung und Versöhnung, der die tiefen Bruchlinien in der anglikanischen Gemeinschaft überwindet.
Dabei gehe es nicht nur um Geschlecht oder Sexualität – sondern um Vertrauen. „Wir müssen zeigen, dass wir eine offene und transparente Kirche sind, die bereit ist, sich vor externen Stellen zu verantworten.“
Eine persönliche Geschichte des Schweigens – und der Hoffnung
Trotz ihrer heutigen Führungsrolle weiß Vann aus eigener Erfahrung, wie schwer es sein kann, als LGBTQ+-Person in der Kirche zu leben. Fast 30 Jahre lang sah sie sich gezwungen, ihre Beziehung zu ihrer Partnerin Wendy Diamond geheim zu halten. Ein Zustand, der viel über die Spannungen innerhalb der Kirche aussagt.
Gerade deshalb hofft Vann, dass ihr öffentlich gelebter Glaube Menschen überzeugen kann. „Ich hoffe und bete, dass die Tatsache, dass ich jetzt hier bin, dazu beiträgt, dass die Menschen die Integrität meines Glaubens erkennen.“
Die Kirche, sagt sie, verändere sich – langsam, manchmal zu langsam – aber unaufhaltsam. Und sie fügt hinzu: „Gott ist größer als die Kirche. Gott liebt alle seine Kinder.“
Neuanfang unter schwierigen Vorzeichen
Cherry Vann tritt ihr Amt zu einem Zeitpunkt an, an dem die Church in Wales nach dem Rücktritt ihres Vorgängers Andrew John – infolge schwerwiegender Berichte über Missstände im Bereich Kinderschutz – um Glaubwürdigkeit ringt. Vanns Führungsstil, geprägt von Transparenz und dialogischer Offenheit, könnte genau das sein, was die Kirche jetzt braucht.
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News Redaktion
