
Radio QueerLive – Eine Berliner Liebesgeschichte
Folge 40:
„Die Gänge von Hexenstein“
Teil 2
Der Regen kam waagrecht. Die Tropfen klatschten gegen die dicken Fensterscheiben der Burg wie kleine Steine. Der Himmel war ein einziger grauer Vorhang, das Kaminfeuer im Speisesaal flackerte, aber wärmen konnte es kaum.
Niemand sprach viel beim Frühstück. Selbst Frau Bond wirkte blasser als sonst. Jakob saß mit verschränkten Armen am Tisch, sein Blick wanderte immer wieder zu seiner Jacke, die über dem Stuhl hing.
„Mein Portemonnaie ist weg“, sagte er plötzlich.
Gabeln und Tassen hielten in der Luft inne.
„Was meinst du damit?“, fragte Tom.
„Es war gestern Abend noch da. In meiner Jacke. Jetzt ist es weg. Und mein Handy auch.“
Frau Bond legte die Tasse ab. „Du hast es doch bestimmt verlegt.“
„Nein. Ich hab’s in das Innenfach gesteckt. Mit Reißverschluss. Ich mach das immer so.“
Gustav sah nervös auf. „Du meinst… jemand war in deinem Zimmer?“
„Oder jemand kann durch die Wände schleichen“, sagte Philipp halblaut.
Jakob starrte ihn an. „Witzig. Ich hörte ein Geräusch im Zimmer und hatte echt Schiss und bin dann eingeschlafen.“
„Nein, wirklich. Heim hat gestern irgendwas gesagt. Von Gängen, die gehen, wo sie nicht sollen.“
In der Tür stand plötzlich – wie aus dem Nichts – wieder Herr Heim.
Er nickte, als hätte er’s gehört, und sagte nur:
„Diese Burg hat mehr Türen und Wege als man denkt.“
Dann war er auch schon wieder weg.
⌚ Nach dem Frühstück
„Ich mach erst mal Mittagsschlaf“, murmelte Gustav. „Ich kann mit leerem Akku nicht denken. Aber ich schließe meine Tür ab von innen.“
„Wenn du nachher auch was vermisst, wissen wir, dass wir’s mit einem Serienräuber zu tun haben“, sagte Jakob trocken.
Philipp warf Tom einen Blick zu. „Ich glaub nicht, dass das ein normaler Dieb ist. Hier sucht uns ein Geist heim.“
Tom seufzte. „Vielleicht ist es auch nur jemand, der sich bestens hier auskennt.“
„Wie Heim“, flüsterte Philipp.
Tom schüttelte den Kopf. „Oder… jemand anderes.“
⌚ Später, 15:05 Uhr – Im Salon
Der Kuchen war aufgetischt, der Kaffee dampfte, aber niemand war entspannt.
„Wo ist Gustav?“, fragte Frau Bond.
„Ich hol ihn“, sagte Philipp und eilte los. Wenige Minuten später kam er zurück – mit ernstem Gesicht.
„Seine Tür war angelehnt. Gustav schläft noch. Aber sein Rucksack… komplett durchwühlt. Und wieder: Handy und Portemonnaie weg.“
Jetzt war es still.
„Also sind wir offiziell nicht mehr in einem Ferienaufenthalt“, sagte Jakob leise. Wir sind in einer Räuberhöhle.
„Ich habe genug“, sagte Frau Bond und zog aus ihrer Jackentasche einen schweren, altmodischen Schlüssel. „Ich habe mir von Heim den Zugang zum Hauptturm geben lassen. Da gehen wir jetzt hoch. Ich will wissen, wo wir hier wirklich sind.“
⌚ Eine halbe Stunde später – auf dem Turm

Die Luft war kalt, der Wind roch nach Regen und nassem Laub. Die fünf standen auf dem steinernen Balkon des Turms, esnwar kühl.
Unter ihnen: endlose Wälder.
Am Horizont: die winzige Silhouette von Wernigerode – grau, weit entfernt, wie aus einer anderen Welt.
„Wir sind wirklich mitten im Nichts“, sagte Jakob.
„Kein Empfang. Kein Nachbar. Kein Licht, wenn’s dunkel wird“, zählte Tom auf.
„Und anscheinend jemand, der nachts durch Geheimgänge schleicht“, fügte Philipp hinzu.
Frau Bond stützte sich auf das Geländer. Ihr Blick war klar. „Diese Burg hat ihre eigene Geschichte. Und ich glaube, wir stecken gerade mitten drin.“
Ein Windstoß ließ die Fahne über ihnen flattern.
In der Ferne rief ein Vogel. Oder war es etwas anderes?
Philipp trat näher an Tom heran und beugte sich zu ihm. Ganz leise flüsterte er ihm ins Ohr:
„Ich sag dir eins: Heim wird sich heute Nacht in einen Vampir verwandeln und über uns herfallen.“
Tom grinste schmal. „Und beschützt du mich dann, Ritter Philipp?“
Philipp antwortete nur:
„Ausgerechnet. Ich hab jemand anderen, der mich beschützt.“
Tom wollte fragen, aber da fiel sein Blick auf den Rucksack an Philipps Schulter. Etwas darin bewegte sich ganz, ganz leicht.
Willi blinzelte in der Dunkelheit.
Und irgendwo tief in der Burg bewegte sich wieder eine Tür, ganz leise.
Ende Teil 40
Morgen geht’s weiter um 20.00 Uhr