
Radio QueerLive – Eine Berliner Liebesgeschichte
Teil: 42
„Eine Nacht in der alten Busche“
Es war ein ruhiger Abend. Philipp lag auf dem Sofa, den Kopf halb in ein Kissen gekuschelt, das Handy in der Hand.
Auf der Facebook-Seite von Radio QueerLive ploppte ein Video auf – ein Rückblick auf die legendäre Busche in Weißensee. Der erste queere Club der DDR, ein Ort voller Geschichten, Tanz, heimlicher Blicke und gelebter Freiheit.
Philipp klickte drauf. Die Bilder flackerten – bunte Lichter, Tanzflächen, 80er-Mode, eine Stimme aus dem Off.
Seine Lider wurden schwer.
Ein letztes Mal hörte er noch: „…und wer durch die Tür der Busche trat, betrat eine andere Welt.“
Dann fiel er in einen tiefen Schlaf.
Die Reise beginnt
Philipp stand plötzlich an der Straßenbahnhaltestelle
Greifswalder Straße. Die Linie 28 fuhr ein, eine klapprige, alte DDR-Tram mit knarzenden Türen. Er stieg ein.
Im Innern saßen junge Typen in Jeans und weißen Shirts, Frauen mit wilden Kurzhaarfrisuren, alle lachend, rauchend, redend.
Keiner nahm ihn wahr – und doch war er dabei.
Die Tram hielt an der Buschallee.
Samstag, 19:00 Uhr. Philipp stieg aus, folgte der Menge. Der Asphalt unter seinen Füßen fühlte sich anders an. Als würde Geschichte durch ihn hindurchfließen.
Vor dem Club eine Schlange, gut zwanzig Meter lang.
Er trat näher.

„Entschuldigung… ist das die Busche? Und… welches Jahr haben wir?“, fragte er einen Typen mit Lederjacke.
Keine Antwort.
Auch nicht vom Nächsten. Oder der Frau mit der Netzstrumpfhose.
Eintritt in eine andere Zeit
Am Eingang verlangte der Türsteher 2,75 Mark.
Doch als Philipp an der Reihe war – nichts. Kein Blick, kein Halt. Er glitt einfach durch.
Im Club: Bass. Lichter. Nebel. Und links – die Bar.
Ein junger Typ bestellte einen Moulin Rouge. Orangensaft unten, Rotwein oben – getrennt wie durch Magie, gekrönt mit einer Kirsche.
Philipp staunte.
Quadratische Tische mit weißen Decken und kleinen Vasen.
Ein Tresen mit warmem Essen: gefüllte Paprika, Königsberger Klopse, Baguette.
„So sah Freiheit aus… in Tischform.“ dachte Philipp.
Die Musik wechselte: „Dress You Up“ – Madonna.
Auf der Tanzfläche: Jeans. Weiße Shirts. Und heiße Körper. Viel zu heiße Körper für DDR-Stoffe die alles andeuten unterm Shirt.
Die Begegnung

Dann erstarrte Philipp.
Mitten auf dem Dancefloor: Frau Bond von Radio QueerLive.
Sie grinste. „Na, endlich. Ich hab auf dich gewartet.“
„Aber… das ist ein Traum, mein Traum. Oder?“, stammelte Philipp.
„Träume, Realität – in der Busche ist das fließend.“
Sie zwinkerte. „Moulin Rouge?“

Er nickte, sprachlos.
An der Bar bestellte sie zwei Drinks.
„Siehst du den DJ? Das ist Wolfgang. Über 60. Ein Urgestein.“
Sie deutete zum Eingang.
„Da kommt gleich Andreas rein – der denkt sich bald ein queeres Radio aus. Er spricht dann hinten zwei an – Rolo und Ole. Und du kennst, was daraus wird.“
Philipp runzelte die Stirn.
„Und da – das ist Christian. Später kämpft er für queere Rechte in der Kirche.“
Dann, leise: „Und die drei da… sind Stasi. Die machen rosa Listen. Die DDR kennt gerne ihre homosensationellen Burger “
Philipp schluckte.
„Und die BVG-Fahrerin da? Das ist Murena. Sie wurde mit 115 auf der Allee der Kosmonauten geblitzt. Mit ’ner DDR Bahn. Rückenwind und Feierabend. Sie wollte hierher.“
Philipp lachte. „Das ist irre.“
Ein Abschied in Takt und Licht
„Und jetzt: Vogue, Madonna“, rief Frau Bond und stürzte sich auf die Tanzfläche.
Lichter flackerten. Füße stampften. Hände glitten durch die Luft.
Dann wandte sie sich noch einmal an Philipp.
„Ich gehöre hierher. Aber du nicht mehr. Lass das unsere kleine Erinnerung und unser Geheimnis sein.“
Sie tippte ihm auf die Nase.
Philipps Welt flackerte. Das Licht wurde weiß.
Zuhause
Er schreckte hoch.
Wohnzimmer. Das Video war vorbei.
Tom saß im Sessel und blätterte in einer Zeitung.
„Tom… ich war in der alten Busche“, sagte Philipp atemlos.
Tom schaute hoch. „Wie bitte?“
Philipp rannte in die Küche. Mixte Orangensaft, Rotwein, setzte eine Kirsche oben drauf.
Dann zum Kleiderschrank: holte ein weißes, enges T-Shirt. „Zieh das an Tom. Bitte.“
„Okay…“, murmelte Tom und gehorchte.

Philipp spielte „Jugendliebe“ von Ute Freudenberg, trat an ihn heran, legte die Arme um ihn. „Würdest du mit mir langsam tanzen „
Langsame Runde.
„Woher hast du all das?“, flüsterte Tom.
„Ich war da. Wirklich. Und ich hab jemand ganz Besonderen getroffen… aber ich darf nicht sagen, wen.“
Die letzte Nacht in der Busche
Ein paar Tage später: Die Busche öffnete zum letzten Mal.
Philipp, Tom, das ganze Team von Radio QueerLive war da.
Viele, die einst dort gefeiert hatten, waren gekommen, um Abschied zu nehmen.
Und als Philipp gerade allein an der Theke stand, trat jemand an ihn heran.
Stellte ihm einen Moulin Rouge hin.
„Den Drink… gibt’s doch gar nicht mehr in der Busche“, murmelte er.
Die blonde Frau lächelte.
„Für manche Nächte gilt das nicht.
✨ Die Busche lebt weiter – in den Herzen, die sie nie vergessen werden .“ ✨
Ende Teil 42
Die Spezialfolge
Good Bye Busche
Nachtrag
An diesem Samstag öffnet die Busche zum.letzten Mal.
Genießt den Abend, feiert schön und bleibt in Kontakt.