
Die britische Autorin J.K. Rowling, einst als Schöpferin der „Harry Potter“-Reihe weltweit gefeiert, sorgt erneut für Schlagzeilen – diesmal mit einem Aufruf zum Boykott der britischen Einzelhandelskette Marks & Spencer (M&S). Der Grund: Ein trans Mitarbeiter soll in der BH-Abteilung einer M&S-Filiale einer Mutter und ihrer Tochter Hilfe angeboten haben. Ein Vorgang, der nach Unternehmensangaben Teil der regulären Kundenbetreuung war – und dennoch einen Sturm im Wasserglas ausgelöst hat.
Was war passiert?
Eine anonyme Kundin hatte sich laut einem Bericht des Telegraph darüber beschwert, dass ein „transsexueller“ Mitarbeiter sie und ihre 14-jährige Tochter beim BH-Kauf angesprochen und Hilfe angeboten habe. Obwohl sie den Mitarbeiter als „höflich“ beschrieb, sei das Gespräch aus ihrer Sicht „völlig unangemessen“ gewesen. Ihre Tochter sei davon „ausgeflippt“.
Marks & Spencer reagierte mit einer Entschuldigung gegenüber der Kundin, stellte jedoch klar: Der besagte Mitarbeiter ist nicht für die BH-Anpassung zuständig, sondern arbeitet regulär in der gesamten Bekleidungsabteilung. Sein Angebot war also keine Grenzüberschreitung, sondern Teil seiner normalen Arbeit: Kunden zu fragen, ob sie Hilfe benötigen.
Der Kulturkampf eskaliert
Trotz dieser klärenden Worte reagierte das Internet – insbesondere transfeindliche Ecken der sozialen Medien – wie so oft mit Empörung. Und J.K. Rowling, längst zu einer Galionsfigur der sogenannten „genderkritischen“ Bewegung geworden, goss zusätzlich Öl ins Feuer.
Auf X (ehemals Twitter) schrieb die Autorin:
„Es ist Zeit für Frauen, mit ihrem Geldbeutel abzustimmen. Wenn Geschäfte wie M&S weiterhin das Urteil des Obersten Gerichtshofs zu Frauenbereichen missachten und den Wünschen von Männern Vorrang geben, die sich in der Nähe ausziehen oder Teenagern beim Anprobieren von BHs helfen wollen, erscheint ein Boykott angebracht.“
Sie spielt damit auf ein höchst umstrittenes Urteil des britischen Obersten Gerichtshofs an, das sich mit dem Zugang von trans Personen zu geschlechtsspezifischen Räumen befasst hatte – ein Urteil, das von Menschenrechtsorganisationen, queeren Verbänden und vielen Juristen scharf kritisiert wurde.
Reaktion und Einordnung
Marks & Spencer hat bislang keine offizielle Stellungnahme zum Boykottaufruf veröffentlicht. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass das Unternehmen weiterhin zu seinen inklusiven Richtlinien steht – M&S hatte sich in der Vergangenheit mehrfach als LGBTQ+-freundlich positioniert.
Die Diskussion berührt einen zentralen Konflikt unserer Zeit: Wie sieht ein inklusiver, respektvoller Umgang in öffentlichen Räumen aus? Für viele Menschen – insbesondere für trans und nicht-binäre Personen – sind diese Debatten nicht nur theoretisch, sondern betreffen ihre alltägliche Sicherheit und Würde.
Die Tatsache, dass ein Mitarbeiter für das schlichte Angebot zur Hilfeleistung in einer Kleidungskabine in eine derart hitzige Debatte hineingezogen wird, zeigt, wie aufgeladen das Thema inzwischen ist. Dass Rowling – mit Millionen Followern – eine solche Situation nutzt, um zum wirtschaftlichen Druck aufzurufen, wirft Fragen zur Verantwortung prominenter Stimmen auf.
Ein Symbol für etwas Größeres
Letztlich geht es hier nicht um einen Einzelfall bei M&S, sondern um den Umgang mit Transidentität in der Öffentlichkeit – und um den Versuch bestimmter Akteure, gesellschaftliche Inklusion durch gezielte Empörung zu untergraben.
Rowlings Kritik reiht sich ein in eine längere Geschichte ihrer Auseinandersetzungen mit Transrechten, für die sie sowohl Unterstützung als auch entschiedene Ablehnung erfahren hat. Doch der Versuch, aus einer alltäglichen Situation – ein höflicher Mitarbeiter bietet Hilfe an – einen Aufreger zu machen, wirft weniger Licht auf ein Problem bei M&S, sondern vielmehr auf die Dynamik eines Kulturkampfes, der zunehmend auf dem Rücken marginalisierter Gruppen ausgetragen wird.
Zum Abschluss
Inklusion am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum ist kein Skandal – sondern gelebte Realität. Der Boykottaufruf von J.K. Rowling wirkt wie ein weiterer Versuch, eine ideologisch geführte Debatte anzuheizen, die mehr spaltet als klärt. Es bleibt zu hoffen, dass Unternehmen wie M&S dem Druck standhalten – und dass wir als Gesellschaft den Mut haben, Differenz nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung zu verstehen.
Radio QueerLive
News Redaktion