
Radio QueerLive – Eine Berliner Liebesgeschichte
Teil 10:
Willkommen zu Hause, Willi
Es ist Freitagabend in Berlin. Der Prenzlauer Berg ist in warmes Licht getaucht, während Philipp mit einem Beutel voller frischer Pasta und einem Lächeln die Treppen zu Toms Wohnung hinaufläuft. Er weiß noch nicht, dass dieser Abend anders wird als alle bisherigen.
Als Tom ihm die Tür öffnet, merkt Philipp sofort, dass irgendetwas nicht stimmt – oder besser gesagt: dass etwas besonders ist. Die Wohnung ist aufgeräumter als sonst. Auf dem Tisch steht sein Lieblingsessen – Penne mit Ofentomaten und veganem Mozzarella. Zwei Weingläser. Sanftes Licht. Musik im Hintergrund. Philipp zieht fragend eine Augenbraue hoch.
Tom wirkt nervös. Vielleicht sogar ein bisschen aufgeregt. Er bittet Philipp, sich zu setzen, verschwindet kurz im Flur und kommt dann zurück – mit einer kleinen, schwarzen Schachtel in der Hand.
„Ich wollte das eigentlich viel cooler machen“, sagt Tom und öffnet sie. In der Schachtel liegt ein Wohnungsschlüssel.
„Du bist doch sowieso fast jeden Abend hier“, sagt Tom. „Ich dachte… vielleicht wird’s Zeit, dass du offiziell hier wohnst.“
Philipp schaut ihn an. Verlegen. Berührt. Dann senkt er den Blick.
„Tom, das ist… schön. Wirklich. Ich liebe es bei dir. Aber… ich muss dir was sagen.“
Tom wirkt irritiert. Philipp kratzt sich am Nacken.
„Ich zieh nicht allein ein. Ich bring jemanden mit.“
Jetzt sieht Tom wirklich verwirrt aus. „Wen denn?“
Philipp lächelt vorsichtig. „Willi.“
„Willi? Wer ist denn Willi?“
„Mein blauer Baumwaran.“
Stille.
Tom starrt ihn an. „Ein Waran? So ein echtes Reptil? Mit Zunge und Krallen?“
„Ja. Also, nicht riesig. Ein mittelgroßer Baumwaran eben. Und… er ist harmlos.“
Tom lehnt sich zurück. „Harmlos.“
„Naja“, sagt Philipp. „Für mich. Für andere Menschen ist er… sagen wir… schwierig. Eigentlich mag er nur mich.“
Tom schließt kurz die Augen. Dann erinnert er sich: „Moment… immer wenn ich bei dir in der WG war, war da dieses riesige Terrarium unter der Decke im Wohnzimmer…“
Philipp nickt. „Genau. Das war Willi.“
Tom schüttelt ungläubig den Kopf. „Ich hab Kaffee getrunken, während ein Reptil unter der Decke lag?“
Philipp zuckt mit den Schultern. „Er hat dich auch beobachtet.“
Tom stöhnt leise. „Na super.“
Dann lächelt er. Erst zaghaft, dann ehrlich. „Na gut. Wenn ich dich liebe, muss ich wohl auch Willi lieben. Oder ihn zumindest tolerieren. Aber wenn er mir morgens ins Bad folgt, zieh ich wieder aus.“
Philipp grinst. „Er ist sehr territorial, also ich würd nicht zu laut duschen.“
Später am Abend holen die beiden Willi ab. In einer stabilen, gut verschlossenen Transportbox. Tom hält Abstand, während Philipp liebevoll mit dem Reptil spricht.
„Willkommen zu Hause, Willi“, sagt Philipp und hebt vorsichtig den Deckel der Box.
Tom tritt zögerlich näher, mustert das Tier mit zusammengekniffenen Augen. „Das ist also ein… blauer Baumwaran?“, fragt er leise.
Philipp nickt stolz. „Ist er nicht schön? Und gar nicht so schlimm, wie er aussieht.“
Tom seufzt. „Kann man den anfassen?“
Er streckt die Hand vorsichtig in Richtung Box.
Im nächsten Moment – schnapp! – schnellt der Kopf des Warans nach vorn und erwischt Toms linken Zeigefinger.

„Aaaaah! Scheiße!!“ Tom zieht die Hand panisch zurück, hüpft ein Stück rückwärts und verzieht das Gesicht vor Schmerz. „Er hat mich gebissen! Dein Dino hat mich gebissen!“
Philipp lacht, obwohl er versucht, ernst zu bleiben. „Oh Mann, das ist sein Begrüßungsritual. Bei mir hat’s auch so angefangen.“
Tom schüttelt die Hand, hält sich den Finger und schaut beleidigt auf das Tier. „Ich hab ihn gerade erst getroffen, und er hasst mich schon.“
Philipp beugt sich vor und flüstert dem Waran in die Box: „Das war nicht nett, Willi. Wir wollten doch nett sein.“
Tom knurrt. „Ich seh schon. Ich wohne jetzt mit einem Reptil, das einen schlechten Charakter hat.“
Philipp grinst. „Aber du liebst mich, oder?“
Tom schaut ihn an, dann den Waran, dann wieder Philipp. Er seufzt tief.
„Ja. Leider dich – und Willi eben gratis dazu.“
Teil 10 – Ende
Morgen geht’s weiter – wie immer um 20 Uhr, hier bei Radio QueerLive.