❤️🧡💛 Philipp und Tom💚💙💜 (30)

Radio QueerLive – Eine Berliner Liebesgeschichte
Teil 30:

Rückkehr in Sicherheit, Streit in der Küche

Die Uhr im LKW zeigte 00:17, als die Reifen nach einer nervenaufreibenden Odyssee endlich wieder europäischen Boden berührten. Stille breitete sich im Fahrerhaus aus – eine erschöpfte, aber erleichterte Stille. Tom ließ das Lenkrad kurz los, atmete tief durch, während Fabian auf dem Beifahrersitz fast eingeschlafen war. Steven und Marc hinten auf der Bank: still, blass, müde, aber da.

Im Salon 6 des Park-Inn-Hotels in Berlin klappte Gustav langsam seinen Laptop zu. Der Punkt auf der Karte war zurückgehüpft – der LKW hatte die Grenze überquert. Philipp stand mit dem Telefon am Ohr, sagte nichts mehr, hörte nur noch zu. Dann beendete er das Gespräch und ließ sich rückwärts in den Sessel fallen.

„Sie sind raus“, murmelte er. Jakob schüttelte nur ungläubig den Kopf.

In diesem Moment öffnete sich die Tür. Ein junger Mann mit schwarzem Kapuzenpullover und einer dicken Mappe unterm Arm trat ein. „Hi, ich bin Tim“, sagte er knapp. „Ich arbeite mit einer NGO, wir unterstützen queere Geflüchtete in Grenzregionen. Ich habe mitbekommen, was bei euch läuft.“

Alle schauten ihn an, die Augen müde, aber aufmerksam.

„Ich habe Kontakte in einer Stadt kurz hinter der Grenze“, fuhr Tim fort. „Da gibt’s eine lokale Gay-Gruppe mit einem Community-Zentrum. Die könnten als Verteilstelle einspringen – und eure Leute können erstmal in einer Pension schlafen. Ich hab sie schon verständigt. Die Gruppe ist informiert, Räume sind vorbereitet, ein Frühstück kriegen sie morgen auch.“

Philipp schaute Tim an, dann zu Gustav, dann zum Handy. „Gib mir zehn Minuten“, sagte er nur und begann wieder zu tippen.

Wenig später parkte der LKW vor einer kleinen Pension am Rande der Grenzstadt. Im Licht der Laterne umarmte Tom kurz jeden aus dem Team. Sie waren zu erschöpft für große Worte. Betten warteten.

Am nächsten Morgen übernahmen lokale Freiwillige die Organisation. Die queere Gruppe aus der Grenzstadt richtete ein Lager ein, verteilte die Hilfsgüter, sobald Menschen aus den fünf Sheltern auf der ukrainischen Seite den Übergang schafften. Immer wieder kam jemand, holte Lebensmittel, Schlafsäcke, Hygieneartikel – alles, was gebraucht wurde. Die Übergabe war gelungen. Wochenlang funktionierte das System reibungslos.

Tom, Marc, Fabian und Steven waren völlig fertig, sie wollten nur noch zurück nach Berlin.


Donnerstagabend in Berlin.

Zurück in Berlin rollte der LKW am nächsten Abend in den Hof hinter dem Studio in Friedrichshain. Philipp wartete schon und war auf 180.. Die anderen vom Orga-Team standen entspannter da.

Tom sprang aus der Fahrerkabine und ging zu seiner großen Liebe. Aber Philipp verschränkte die Arme.
„Bist du komplett irre?“, fuhr er ihn an. „Einfach in die Ukraine reinzufahren, im Krieg, ohne Rücksprache?! Weißt du eigentlich, was ich durchgemacht habe?!“

Tom hob die Hände. „Ich wollte nicht, dass alles umsonst war… Es ging um Minuten, Philipp.“
„Ich hab sechs Stunden telefoniert! Mit Grenzoffizieren, Botschaftern – ich hätte fast den Papst angerufen!“
Gustav trat grinsend zur Seite, flüsterte Tom zu: „Wusstest du das er fließend Tschechisch spricht? Du hättest ihn hören sollen. Wie eine Maschine. Philipp hätte auch in Nordkorea angerufen damit du zurück kommst.“

Tom lachte auf. Philipp drehte sich genervt um. „Ich hab das gehört! Und ich spreche fließend Tschechisch, verdammt! Mein Vater ist aus Brno.“

Jakob stand mit Kaffee in der Hand da. „Sollen wir’s im Radio bringen? Dass Philipp mit halb Osteuropa telefoniert hat? Also in der ukrainischen Botschaft können sie seinen Namen nicht mehr hören, garantiert. Ich schwöre!.“

Philipp hob nur die Augenbrauen: „Wenn ihr auch noch Witze macht, geh ich zurück an die Grenze und schiebe euch rüber.“ Er war total sauer.

Am Ende standen sie alle in der Studioküche.
Die Anspannung wich, langsam. Philipp öffnete den Kühlschrank, zog eine Apfelschorle raus, reichte sie wortlos an Tom. Dann drehte er sich um, sah ihn lange an – und umarmte ihn. Fest. Still. „Tu das nie wieder“, sagte er leise.

Tom nickte. „Nur wenn du mir versprichst, nie wieder in drei Sprachen gleichzeitig zu telefonieren und zu fluchen.“

Ende Teil 30.
Morgen geht es weiter um 20:00 Uhr.


Nachtrag

Die Lebensmittelbrücke für die Shelter in der südlichen Ukraine funktionierte über viele Monate. Hilfsorganisationen kannten den Sammelplatz in der Grenzstadt. Auch andere Hilfsorganisationen bauten nach unserem System, ihre Hilfslieferungen auf.
Wir möchten allen Aktivistinnen und Aktivisten an dieser Stelle danken, die geplant und organisiert haben.
Aber wir danken auch allen Spenderinnen und Spendern. Auch hier in Berlin gab es Menschen, die mit den Geflüchteten zu den Behörden gingen.
Aus Sicherheitsgründen haben wir die Namen geändert, die Orte nicht im Detail genannt aber sehr vielen das Leben gerettet.

Zwei Monate nach unserer Aktion kam ein junger Ukrainer zu Radio QueerLive. Er lebte in einem der Shelter und dachte sich, er muss unbedingt nach Berlin. Er wollte in einer Stadt leben, in der die Community so hilfsbereit ist.
Noch einmal 2 Monate später verabredete sich eine Mutter aus der Ukraine mit dem Radio. Sie fuhr ihren Sohn, der mitten im Coming out war, direkt mit dem Bus nach Berlin und wollte das er hier sicher lebt.
Sie selbst fuhr nach zwei Tagen zurück mit den Worten: „ich muss mein Land aufbauen“. Ihr Sohn lebt heute sicher in Berlin.

Danke euch für die Unterstützung im Namen der Menschlichkeit in einer solchen Notsituation.

Radio QueerLive