Gedenktafel für queere Aktivistin Lotte Hahm mit Hakenkreuz beschmiert

Ein Angriff auf Erinnerung und Vielfalt

Berlin
In der Nacht zu Mittwoch wurde in Berlin-Kreuzberg eine Gedenktafel für die queere Aktivistin Lotte Hahm mit einem Hakenkreuz beschmiert. Die Tafel befindet sich an der Hasenheide, unweit der gleichnamigen Grünanlage, und erinnert seit dem vergangenen Jahr an das Leben und Wirken einer der wichtigsten Pionierinnen der queeren Emanzipationsbewegung in Deutschland. Der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen – wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Sachbeschädigung.

Doch der Vorfall ist mehr als bloße Sachbeschädigung. Er ist ein gezielter Angriff auf queere Erinnerungskultur, auf Vielfalt, auf das Ringen um Anerkennung, das sich bis heute durchzieht.

Wer war Lotte Hahm?

Lotte Hahm (1890–1967) war eine mutige Kämpferin für die Rechte lesbischer, homosexueller und transgeschlechtlicher Menschen. Schon in den 1920er Jahren, mitten im kulturellen Aufbruch der Weimarer Republik, organisierte sie queeres Leben in Berlin. Als Leiterin des „Damenklub Violetta“ – einer der größten lesbischen Organisationen der Zeit – schuf sie einen Raum für Begegnung, Selbstbestimmung und politischen Austausch. Ihr Credo: „Nicht nur Tanz und gesellige Veranstaltungen […] sondern auch Kampf ist nötig.“

Sie war eine Vordenkerin queerer Vernetzung und gründete 1929 am Institut für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld die „Transvestitenvereinigung D’Eon“ – die weltweit erste Organisation für trans* Menschen. Hahm kombinierte Empowerment mit politischem Aktivismus, schuf Schutzräume, wo Repression herrschte, und kämpfte für Anerkennung, wo Ausgrenzung dominierte.

Überleben im Verborgenen

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde das queere Leben zerstört. Lokale wurden geschlossen, Organisationen verboten, viele ihrer Mitglieder verfolgt. Auch Hahm geriet ins Visier des Regimes. Ihre Partnerin, Käthe Fleischmann, war Jüdin – und gemeinsam versuchten sie, sich im Schatten der Diktatur zu behaupten. Lotte Hahm überlebte offenbar sogar einen Aufenthalt im Konzentrationslager Moringen.

Nach dem Krieg setzte sie ihre Arbeit unbeirrt fort, gründete neue Treffpunkte, insbesondere für lesbische Frauen, und wirkte mit am Wiederaufbau einer queeren Öffentlichkeit in der geteilten Stadt.

Ein Denkmal für Mut – und eine Schändung, die schmerzt

Die Gedenkstele an der Hasenheide wurde im Herbst 2023 aufgestellt – als überfällige Ehrung für eine Frau, die zeitlebens im Schatten der Geschichtsbücher stand. Dass nun ausgerechnet diese Tafel mit einem Symbol des Hasses, einem Hakenkreuz, beschmiert wurde, ist ein schwerer Schlag.

Es ist nicht nur eine Provokation, es ist ein Anschlag auf das kollektive Gedächtnis – auf die Sichtbarkeit queerer Geschichte, auf das Lebenswerk einer Frau, die genau unter diesem Zeichen einst verfolgt wurde.

Erinnerung braucht Schutz

Diese Tat macht deutlich: Erinnerung ist nicht neutral. Sie kann unbequem sein, sie kann stören – besonders jene, die ein rückwärtsgewandtes Weltbild vertreten. Umso wichtiger ist es, sich entschlossen hinter Menschen wie Lotte Hahm zu stellen. Ihre Geschichte ist ein Vermächtnis: für Freiheit, für Solidarität, für ein Zusammenleben jenseits von Norm und Diskriminierung.

Was jetzt gefragt ist, geht über die Entfernung eines Hakenkreuzes hinaus. Es braucht klare gesellschaftliche Haltung: gegen rechte Hetze, gegen queerfeindliche Gewalt, gegen das Vergessen.

Ein Appell

Lotte Hahm kämpfte für Sichtbarkeit, lange bevor das Wort „queer“ zur Selbstbezeichnung wurde. Dass heute ein Denkmal für sie existiert, ist ein Zeichen von Anerkennung. Dass es geschändet wird, ist ein Zeichen dafür, wie brüchig diese Anerkennung noch immer ist.

Es ist an uns, dieser Geschichte ihren Platz zu sichern – nicht nur auf Tafeln, sondern in unseren Köpfen, in unserer Haltung, in unserer Gesellschaft. Erinnerung darf nicht stillschweigend beschmutzt werden. Sie braucht unsere Stimme.

Abschlussworte.

Wenn Denkmäler angegriffen werden, ist es Zeit, Haltung zu zeigen. Nicht nur für die Vergangenheit – sondern für die Zukunft.

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Die Redaktion