Brutale Gewalt nach Sex-Date

Prozess in Gera wirft Fragen zu Sexualität, Gewalt und Verantwortung auf

Gera, 11. Juli 2025 – Was als sexuelles Treffen zwischen zwei Männern begann, endete in einer blutigen Attacke, die nun das Landgericht Gera beschäftigt. Im Mittelpunkt des Prozesses: ein 25-jähriger Angeklagter, der sich über eine Internetplattform zu einem Treffen verabredet haben soll – das eskalierte. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: versuchter Mord.

Die Tat ereignete sich Ende Januar dieses Jahres. Nach Angaben der Anklage war das Treffen zunächst einvernehmlich geplant. Doch in der Wohnung des späteren Opfers schlug die Stimmung plötzlich um – im wörtlichen Sinne: Mit massiver Gewalt soll der junge Mann auf sein Gegenüber eingeschlagen und eingetreten haben. Das Opfer erlitt schwere Verletzungen, darunter mehrere Rippenbrüche, eine Nasenbeinfraktur sowie Platzwunden. Nach der Attacke ließ der mutmaßliche Täter den blutenden Mann laut schreiend in der Wohnung zurück. Besonders verstörend: Der Angeklagte soll danach Fotos seiner blutverschmierten Schuhe und seiner verletzten Hand gemacht haben.

Chatverläufe zeichnen ein anderes Bild

Im Prozess, in dem das Opfer als Nebenkläger auftritt, wurden Chatverläufe präsentiert, die Einblick in die Vorgeschichte geben. Sie zeigen: Das Opfer beschrieb sich selbst offen als „Hure mit Eiern“ und erwartete sein Date in sexuell unterwürfiger Haltung – nackt auf dem Bett, mit dem Rücken zum Eintreffenden. Für die Staatsanwaltschaft ein klares Indiz für das Vertrauen, das das Opfer in die Situation setzte – und zugleich die Wehrlosigkeit, in der es sich zur Tatzeit befand.

Die Anklage wirft dem 25-Jährigen deshalb Heimtücke vor – und unterstellt, er habe den Tod des Opfers zumindest in Kauf genommen. Seine Tat, so die Staatsanwältin, sei von besonderer Brutalität und Menschenverachtung geprägt.

Angeklagter spricht von Schock und Missverständnis

Ganz anders stellt sich die Situation aus Sicht des Angeklagten dar. Er behauptet, heterosexuell zu sein und die Plattform lediglich über eine rumänische Übersetzungsfunktion genutzt zu haben. Er sei davon ausgegangen, sich mit einer Frau zu treffen – und sei beim Betreten der dunklen Wohnung schockiert gewesen, als er bemerkte, dass es sich um einen Mann handelte. Nach eigenen Angaben sei das Opfer mit Maske auf ihn zugekommen und habe ihn ins Schlafzimmer gedrängt. Dort sei es zu einer „panischen“ Reaktion seinerseits gekommen. Die Schläge und Tritte seien ein Versuch gewesen, sich aus der Situation zu befreien.

Auffällig: Seine Handverletzung erklärt der Angeklagte nicht durch die Auseinandersetzung, sondern durch Renovierungsarbeiten in der elterlichen Wohnung – ein Detail, das die Glaubwürdigkeit seiner Darstellung infrage stellt.

Juristische Bewertung: Mord oder doch „nur“ Körperverletzung?

Der Vorsitzende Richter deutete bereits an, dass neben dem Vorwurf des versuchten Mordes auch der Tatbestand des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Frage komme. Klar ist: Der Fall ist juristisch wie moralisch komplex. Sexualität, Rollenverständnisse, kulturelle Missverständnisse und brutale Gewalt vermischen sich zu einem toxischen Gemisch.

Die Nebenklage fordert ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000 Euro. Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt. Weitere Verhandlungstermine sind bis Ende Juli angesetzt.

Ein Fall, der tiefere Fragen aufwirft

Unabhängig vom juristischen Ausgang berührt der Fall zentrale gesellschaftliche Fragen: Wie sicher sind sexuelle Kontakte, die über Plattformen angebahnt werden? Wie kann mit kulturell geprägten Missverständnissen umgegangen werden? Und wo verläuft die Grenze zwischen persönlicher Überforderung und strafrechtlicher Verantwortung?

Der Prozess in Gera wird darauf keine einfachen Antworten liefern – aber vielleicht ein Stück weit mehr Klarheit über die erschreckende Gewalt, die sich hinter einem scheinbar harmlosen Date verbergen kann.

Radio QueerLive
News-Redaktion