CSD Köthen 2025

Zwischen queerer Sichtbarkeit und kommunalem Konflikt

Was als politische Demonstration für Vielfalt, Gleichberechtigung und queere Sichtbarkeit begann, hat sich in Köthen (Anhalt) zu einer tiefgreifenden Auseinandersetzung zwischen Veranstaltenden des CSD und der Stadtverwaltung entwickelt. Im Zentrum des Konflikts: die Frage, wie Behörden mit queeren zivilgesellschaftlichen Akteuren umgehen – und was „Unterstützung“ tatsächlich bedeutet.

Widerspruch, Vorwürfe und eine namentliche Eskalation

Nach einem erfolgreichen, aber von organisatorischen Hürden begleiteten CSD am 12. Juli 2025 veröffentlichte die Stadt Köthen eine ungewöhnlich scharfe Stellungnahme.
Darin widerspricht sie nicht nur den Kritikpunkten der Veranstalter, sondern nennt auch die vollständigen Namen zweier zentraler Akteure der queeren Szene öffentlich: Falko (CSD Sachsen-Anhalt e. V.) und Julian (CSD Köthen).
In einem Bundesland, in dem queere Menschen regelmäßig Diskriminierung und Anfeindungen ausgesetzt sind, wird dieser Schritt in der Community als unverantwortlich und potenziell gefährdend gewertet.

Die Stadt spricht von „haltlosen Vorwürfen“, „Einschüchterungsversuchen“ und einer vermeintlich gezielten Skandalisierung durch die Veranstaltenden.
Der Ton ist konfrontativ, der Inhalt vor allem auf Distanz und Schuldzuweisung ausgelegt. Für eine Bürgermeisterin, die sich noch im Vorjahr als Schirmherrin des CSD inszenierte, wirkt das wie ein abrupter Bruch – nicht nur im Stil, sondern auch in der Haltung.

Gegendarstellung der Veranstaltenden: Von Unterstützung keine Spur

Die Veranstaltenden wiederum widersprechen deutlich. Aus ihrer Sicht hat es in den letzten Jahren keinerlei strukturelle, finanzielle oder personelle Unterstützung durch die Stadt gegeben.
Weder für queere Bildungsarbeit noch für den Aufbau des CSD vor Ort sei je Hilfe geleistet worden – im Gegenteil: Der Verlauf sei geprägt gewesen von Hinhaltetaktiken, rechtlich fragwürdigen Auflagen und einer grundsätzlichen Gesprächsverweigerung auf Seiten der Verwaltung.

Besonders heftig ist der Vorwurf, dass die Stadt – vertreten durch Bürgermeisterin – den Zugang zu elementarer Infrastruktur (Strom, Wasser, Bühne) blockiert und sogar Gerichtsurteile bewusst ignoriert habe.
Der Höhepunkt: das Stromverbot für die Bühne am Tag der Veranstaltung selbst – eine Maßnahme, die für viele Beobachter*innen kaum als Verwaltungsroutine, sondern eher als gezielte Sabotage zu deuten ist.

Hinzu kommt die emotionale Belastung, die das Gespräch vom 10. Juli 2025 für einen der Veranstalter hinterlassen hat. Dort, so der Vorwurf, habe die Bürgermeisterin persönliche Erlebnisse auf verletzende Weise thematisiert, um ihr Gegenüber emotional unter Druck zu setzen. Ein Verhalten, das im Widerspruch zu den ethischen Anforderungen an öffentliche Amtsträger*innen steht.

Eine Debatte über Macht, Sprache und Verantwortung

Unabhängig davon, wie man den jeweiligen Darstellungen folgt, offenbart der Fall CSD Köthen ein tieferliegendes Problem: das Spannungsverhältnis zwischen queeren Basisinitiativen und traditionellen Machtstrukturen in Kommunen, die bisher wenig Berührung mit queerer Sichtbarkeit hatten.

Dass ein Konflikt dieser Art eskaliert, ist an sich nichts Ungewöhnliches.
Wie er jedoch geführt wird – öffentlich, namentlich, mit dem Ausschluss zukünftiger Zusammenarbeit und unter Androhung strafrechtlicher Konsequenzen – wirft Fragen auf: über die Kommunikationskultur im Rathaus, über die Sicherheit engagierter Minderheiten und über die Bereitschaft, aus Verwaltung heraus Teil demokratischer Prozesse zu sein – oder sie zu behindern.

Dass das Verwaltungsgericht die Ablehnung der Sondernutzung für den CSD bereits als rechtswidrig eingestuft hat, spricht eine klare Sprache: Die Stadt hat in ihrer juristischen Bewertung die Grundrechte der Veranstaltenden nicht hinreichend berücksichtigt. Eine kritische Selbstreflexion dazu bleibt in der Erklärung der Stadt bislang aus.

Sichtbarkeit braucht Schutz, nicht Misstrauen

Der Fall Köthen ist kein Einzelfall, aber er ist beispielhaft. Für die Hürden, denen queere Bewegungen besonders im ländlichen Raum gegenüberstehen. Für die Fragilität demokratischer Beteiligung, wenn Behörden Macht über Auslegung und Zugang zu öffentlichem Raum beanspruchen. Und für die Notwendigkeit, dass auch politische Verantwortungsträger*innen lernen müssen, nicht jede Kritik als Angriff zu deuten – sondern als Teil demokratischer Aushandlung.

Dass die Bürgermeisterin von „haltlosen Vorwürfen“ spricht, während ein Verwaltungsgericht ihr Vorgehen kassiert, zeigt: Diese Debatte ist noch nicht zu Ende. Sie muss geführt werden – offen, differenziert und mit dem Respekt, den demokratische Meinungsäußerung verdient.

Denn: Wer queere Menschen zur Sichtbarkeit auffordert, muss auch bereit sein, ihre Stimmen auszuhalten.

Grundsätzlich sollte man über das Verhalten der Bürgermeisterin reflektieren.
Wer ein solches Verhalten von einer Frau erlebt, die ein Parteibuch der Linken in der Tasche hat, braucht keine AFD mehr.
Wenn die Partei – Die Linke – das Verhalten ihrer Politikerin nicht selbstkritisch hinterfragt, sollten andere CSDs über eine Teilnahme an ihren Demonstrationen durch diese Partei grundsätzlich überdenken.

Wir werden bei der Linken auf jeden Fall eine Anfrage starten an diesem Wochenende.

Radio QueerLive
Andreas