❤️🧡💛 Philipp und Tom 💚💙💜 (83)

Radio QueerLive – eine Berliner Liebesgeschichte

Folge 83

Das große Leben

Eine Geschichte über Musik, Chaos und die Kraft, einfach weiterzumachen

Es war Dienstag, 18:00 Uhr.
Philipp und Tom hasteten die Treppe hinauf ins dritte Stockwerk, wo sich das Büro von Radio QueerLive befand.
Philipp schnaufte, als er die Tür aufriss.
„Frau Bond! Wir sind da! Was ist los? Eine Zeitreise? Ein Interview? Oder—warte—geht’s etwa wieder um Rosenstolz?!“
Tom grinste breit. „Oder um deinen Hamster, Philipp.“
„Sehr witzig,“ murmelte der.

Hinter dem Schreibtisch saß Frau Bond, ganz gelassen, mit einem geheimnisvollen Lächeln.
„Ach, meine Jungs … heute reisen wir ein kleines Stück in die Zeit zurück. Nicht weit. Nur ein paar Jahre. Aber es wird turbulent, das verspreche ich euch.“

Philipp strahlte. „Ich wusste es! Eine Zeitreise!“
Tom hob eine Augenbraue. „Bitte sag, wir landen nicht wieder mitten in einem Kohlewerk.“
„Nein“, antwortete sie und stand auf. „Diesmal wird’s musikalisch.“

Sie ging um den Schreibtisch herum, legte beiden sanft die Hände auf die Stirn – und der Raum flackerte kurz.
Ein dumpfes Rauschen, ein heller Blitz, ein Ziehen im Bauch – und dann Stille.

„Ähm… wir sind noch hier?“, murmelte Philipp.
„Sieht so aus,“ sagte Tom und deutete auf das Logo an der Wand: Radio QueerLive.
Frau Bond lächelte. „Oh ja, ihr seid genau da, wo ihr sein sollt. Nur nicht wann.“

Philipp beugte sich über den Kalender.
„Februar 2006?!“
„Exakt,“ nickte Frau Bond. „Und ich fürchte, gleich fliegt euch was um die Ohren.“


Die junge Bond im Ausnahmezustand

Sie öffneten die Tür zur Redaktion – und sofort kam ihnen Chaos entgegen.
BÄÄÄM!
Ein Bürostuhl schoss quer durch den Raum, schlug gegen die Wand.
Papier wirbelte, Telefone klingelten, irgendwer fluchte.

In der Mitte des Sturms stand die jüngere Frau Bond – Anfang 20, blonde Haare zum Pferdeschwanz gebunden, energisch, wild, temperamentvoll – und außer sich.
„Ich dreh durch!“, schrie sie. „Unser CSD-Truck! Der Sponsor hat uns abgesagt! Die Schweine von diesem Verein haben ihn uns weggeschnappt! Wir stehen in einer Stunde ohne Truck da!“

Niemand wagte, sie anzusprechen. Die Luft vibrierte.
Tom flüsterte: „Sieht aus, als könnte sie mich mit bloßem Blick grillen.“
Philipp nickte nervös. „Ich mag sie jetzt schon.“

Das Telefon klingelte, mitten auf einem Stapel Papier.
Instinktiv griff Philipp zu. „Radio QueerLive, Philipp am Apparat.“
„Hallo, hier ist Claudia vom Rosenstolz-Management,“ erklang eine ruhige Stimme.
„Ich hab da was für euch aber was ist das für ein Krach da?“

Philipp sah sich um, während hinter ihm gerade ein Locher an der Wand zerschellte.
„Äh, ja … unser Sponsor für den CSD Truck ist abgesprungen, und wir haben exakt 57 Minuten, um das zu lösen.“
Claudia schwieg kurz. „Okay, gib mir zwei Minuten. Ich ruf gleich zurück.“
Klack.

Philipp legte auf und sah die junge Bond an, die gerade ein Notizbrett durch die Gegend schleuderte.
„Was?“, fauchte sie.
„Ich glaube … ähm … Rosenstolz ruft gleich zurück.“
Sie starrte ihn an, als hätte er vorgeschlagen, den Truck mit Konfetti zu bezahlen.

Da klingelte das Telefon erneut.
Philipp hob ab.
„Hier nochmal Claudia. Ihr drei – also du, Tom und… äh, Frau Bond? Kommt bitte SOFORT vorbei. Kalckreuthstraße, Nollendorfplatz. Ihr wisst schon, wo. Aber…“, sie senkte die Stimme, „…Frau Bond soll sich beruhigen. Klingt, als hättet ihr gerade einen Tornado in der Redaktion.“

„Verstanden,“ sagte Philipp und legte auf.
Er drehte sich zu der tobenden Frau Bond um. „Wir… äh… fahren kurz weg. Kleine Sponsoren-Mission.“
„WAS für eine Mission?“
„CSD-Truck-Planung“, sagte er todernst.
Sie blinzelte. „Dann plant! Aber wehe, ihr bringt mir noch mehr Chaos!“

„Versprochen,“ grinste Philipp – und verschwand mit Tom und der älteren Frau Bond.


Das Management von Rosenstolz

Die drei stiegen am Nollendorfplatz aus. Es war kalt, aber der Himmel leuchtete in Abendblau.
„Hier riecht’s nach Geschichte,“ flüsterte Tom ehrfürchtig.
„Hier war früher das Büro von Anna R. und Peter Plate,“ erklärte Frau Bond. „Von hier aus haben sie unzählige Aktionen mit uns geplant.“

Sie klingelten. Claudia öffnete.
„Ah, ihr seid’s. Kommt rein – sie warten schon.“

Im Besprechungsraum: ein großer Tisch, voll mit Postern, Entwürfen, Teetassen – und zwei vertraute Gesichter.
Anna R. und Peter Plate.

Philipp stand da wie eingefroren.
Anna hob den Kopf, lächelte. „Moment mal… dich kenn ich doch! Du bist doch der mit dem Hamster, oder?“
Tom versuchte, nicht laut loszulachen.
Philipp nickte peinlich berührt. „Ja… also… äh… mein Hamster lebt nicht mehr, aber ich hab jetzt Tom.“
Anna schmunzelte. „Na, das ist ja wenigstens ein Upgrade.“

Frau Bond räusperte sich und erzählte kurz die Situation: kein Sponsor, kein Truck, keine Zeit.
Peter hörte ruhig zu, verschränkte die Arme, dann nickte er.
„Das ist einfach. Wir machen’s.“
„Was?“
„Rosenstolz sponsert euren CSD-Truck. Gemeinsam auf der Parade. QueerLive und wir – das passt. Wir fahren für queere Sichtbarkeit.“

Philipp bekam kaum Luft.
Anna lächelte: „Und wenn wir schon dabei sind – ihr organisiert bitte unsere Albumpremiere zu „Das große Leben“ im Kino International. Letzter Samstag im Februar. Eure Albumpremiere zu Herz war damals einfach irre schön.“

Frau Bond nickte ehrfürchtig.
Philipp hingegen kämpfte mit seinem Puls. Unter dem Tisch bekam er einen unauffälligen Tritt von der älteren Bond.
„Atmen, Philipp.“

Beim Aufbruch reichte Anna ihm eine Schallplatte und eine CD.
„Das ist „Das große Leben“. Noch unveröffentlicht. Damit könnt ihr on air gehen und Werbung machen. Und Philipp – pass drauf auf. Ich vertraue dir. Die Schallplatte ist für dich, die darfst du behalten.“
Er hielt sie beide fest, als wären sie aus Gold.


Die Nachricht

Zurück im Sender. Schön im Hausflur hörten die drei den Krach im Sender.
Die junge Frau Bond tobte noch immer, diesmal mit einem Kaffeebecher in der Hand.
„Alles fällt auseinander! Nichts klappt!“

Philipp atmete tief ein, stellte sich auf den großen Redaktionstisch und rief mit fester Stimme: „RUHE!“

Die Lautstärke fiel schlagartig auf null.
Alle Köpfe drehten sich zu ihm. Selbst die junge Bond erstarrte.

Philipp hob die CD hoch, das Licht fiel auf das Cover mit Anna R und Peter drauf.
„Rosenstolz. Sponsern. UNSEREN. CSD Truck.“

Totenstille.
Dann: „UND wir bekommen die Albumpremiere von „Das große Leben“ im Kino International!“

Einen Moment lang herrschte Schweigen – dann Jubel.

Die Redaktion explodierte vor Begeisterung.
Die junge Bond riss die Arme hoch: „Okay, Stopp – Moderation ins Konfi, wir brauchen einen Werbeplan! Grafik – Banner, Plakate! Technik – Ton, Bühne, Lichter! Los, Leute! In 30 Minuten bekomme ich Vorschläge.“

Dann wandte sie sich an Philipp.
„Und wer bist du nochmal?“
„Ihr CSD-Truck-Planer.“
Sie nickte knapp. „Gut. Dann Plan A: Wir machen Geschichte.“

💖
Das große Leben – Die Premiere

Es war der letzte Samstag im Februar 2006.
Das Kino International erstrahlte im Glanz tausender Lichter.
Draußen eine Menschenschlange bis zur Karl-Marx-Allee, drinnen Deko aus roten Herzen, Glitzer, Bannern und Rosenstolz-Plakaten.

Philipp und Tom, als Engel verkleidet, verteilten Lose für die Fan-Verlosung.
Die junge Frau Bond koordinierte Technik, Licht und Sound.

Als sich die Türen öffneten, brandete Jubel auf.
Die Menge strömte hinein, die Musik setzte ein.
Frau Bond griff zum Mikro:
„Radio QueerLive präsentiert: Die Albumpremiere zu „Das große Leben“ von Rosenstolz – eine Woche vor der Veröffentlichung! Danke, dass ihr hier seid, danke, dass ihr liebt!“

Dann erklang der erste Titel: „Ich bin ich (wir sind wir)“.
Ein einziger Schauer lief durch die Menge.
Hunderte sangen mit, Tränen, Lachen, Umarmungen.
Philipp stand da, mitten im Publikum, die Hände zitternd, die Augen glänzend.
Tom legte den Arm um ihn. „Siehst du? Dafür leben wir.“
„Ja,“ flüsterte Philipp. „Das ist es – das große Leben.“

Und wieder ertönte die Stimme von Frau Bond. „Wir freuen euch mitteilen zu dürfen, im Sommer fahren Rosenstolz und Radio QueerLive gemeinsam über den Berliner CSD.“ Die Massen tobten, die Stimmung eskalierte.

Die alte Frau Bond schnappte sich Philipp und Tom in ihren Kostümen und zog sie an die Bar, wo drei Schnäpse standen. „Prost Männer.“


Wieder heute

Mit einem leisen Surren endete der Zeitsprung.
Sie standen wieder im Sender.
Still. Friedlich.
Nur das Ticken der Uhr. Philipp sah immer noch so aus, als würde er den Schnaps trinken wollen.

Philipp sah auf seine leeren Hände. „Schade… Ich hätte so gern etwas Echtes behalten.“
Frau Bond schwieg, öffnete ihre Schreibtischschublade, nahm einen Schlüsselbund, reichte ihm einen kleinen silbernen Schlüssel.
„Unten. Ganz hinten.“

Er öffnete die Schublade, tastete hinein – und zog vorsichtig eine Vinyl-Schallplatte hervor.
„Das große Leben.“
Darunter eine kleine, vergilbte Karte.


In blauer Tinte stand:

Lieber Philipp,

Danke, dass du dich erinnerst.
Danke, dass ihr weitermacht.
Niemals aufgeben.

Liebe ist alles.
– Anna R.

Philipp hielt die Platte fest an sich gedrückt, Tränen liefen über seine Wangen.
Tom legte die Hand auf seine Schulter, Frau Bond auf die andere.

„Anna hatte recht,“ flüsterte sie. „Liebe ist alles. Und manchmal reicht das schon – für ein ganzes, großes Leben. Oder warum weinst du?“

Philipp schaute zu Tom. „Wir brauchen einen Plattenspieler.“

ENDE – Teil 83

Morgen geht’s weiter um 20.00 Uhr. Lust auf den Rosenstolz Truck 2006? Schreibt uns