
Radio QueerLive – eine Berliner Liebesgeschichte
Folge 84 –
„Das große Leben rollt durch Berlin“
Eine queere Zeitreise mit Herz, Plüsch und einem roten Knopf
Es war Freitagabend, und wieder einmal rasten Philipp und Tom die Treppen zur dritten Etage von Radio QueerLive hinauf.
Die Uhr schlug genau 18:00 Uhr, als sie vor Frau Bonds Büro auftauchten – atemlos, aufgeregt, bereit für die nächste Zeitreise.
„Na, da sind meine Lieblingschaoten ja wieder!“, grinste Frau Bond und stellte ihre Teetasse ab.
„Na los, raus mit der Sprache – wohin geht’s heute?“, rief Philipp.
„Ich wette auf ein Rosenstolzkonzert!“, warf Tom dazwischen, „oder wenigstens wieder in die 2000er, wo Menschen noch CDs gekauft haben!“
„Ihr zwei habt wirklich keine Geduld.“
Frau Bond erhob sich, legte beiden die Hände auf die Stirn und sagte ruhig:
„Gute Reise.“
Ein Lichtblitz.
Ein Rauschen.
Dann – Stille.
Sie standen … im selben Büro.
Nur … irgendetwas war anders.
„Äh … Frau Bond?“ Philipp blinzelte.
Tom sah sich um. „Das sieht aus wie … jetzt?“
„Schau mal auf den Kalender“, sagte Frau Bond.
Philipp las laut vor: „23. Juni … 2025?“
„Was soll das denn jetzt sein?“, fragte Tom.
Da klingelte das Telefon.
Philipp nahm reflexartig ab. „Radio QueerLive, Philipp hier!“
Am anderen Ende: eine vertraute Stimme.
„Hallo – hier ist Claudia vom Rosenstolz-Management. Wann holt ihr das Flyer-Material und die Giveaways für den CSD Truck ab?“
Philipp japste.
„WAS?! Truck? CSD? Rosenstolz?!“
Er sprang fast in die Luft. „TOM, ES IST DER CSD mit Rosenstolz in Berlin! Wir fahren auf dem Truck!“
⌚
Eine Stunde später standen sie im Rosenstolz-Büro in der Kalckreuthstraße.
An den Wänden Platin-Schallplatten, Konzertposter und der süße Duft von Kaffee.
Anna R und Peter Plate signierten Plakate und Autogrammkarten.
Als Anna Philipp sah, stand sie auf und kam auf ihn zu.
„Na, du bist doch der Kleine mit dem Hamster, oder?“
Philipp nickte, ihm stiegen sofort Tränen in die Augen. Natürlich dachte er an das wunderschöne Gedenkkonzert für Anna R in der Columbiahalle, er durfte nur nichts sagen.
Anna sah irritiert zu Frau Bond.
„Oh – ähm … ja, er hing sehr … emotional an seinem Tier“, improvisierte Frau Bond.
Anna legte sanft eine Hand auf Philipps Kopf. „Ach, das versteh ich. Manche Seelen fehlen für immer.“
Tom grinste: „Und manche sammeln einfach neue – ich bin der Nachfolger.“
Anna lachte. „Dann pfleg ihn gut, er sieht pflegeleicht aus.“
Bevor sie gingen, drückte Anna Philipp eine große Papprolle in die Hand.
„Erst zu Hause öffnen, ja?“
⌚
Berlin-Weißensee – Betriebsgelände, 17:50 Uhr
Die junge Frau Bond – in dieser Zeit etwa Anfang 20 – stand mit zehn Helfern auf dem Hof einer Technikfirma.
Vor ihnen ein riesiger, blanker Truck: sechs Achsen, zwanzig Meter lang, vierzig Tonnen schwer.
„Da ist er – euer Wagen“, sagte Frank, der Chef, „hier die Deko, da die Boxen, da der Grill.“
Frau Bond schnaufte. „Ich grille. Philipp, du machst die Deko!“
Ein Satz, den sie sofort bereute.
Philipp schmappte sich den Eimer mit Wasser, Schrubber und Putzlappen.
„Erstmal säubern!“, kommandierte er.
Tom sah zu Frau Bond. „Warum hab ich das Gefühl, das eskaliert gleich?“
„Weil du ihn kennst.“ Lachte Tom.
Frank kam mit drei großen Rollen an.
„Das ist der Plüsch.“
„Plüsch?!“ Philipp strahlte. „Wir plüschen den ganzen Truck ein! JEDEN Querträger!“
Die Helfer rollten, schnitten, klebten.
Dann fuhr ein Auto auf den Hof. Claudia stieg aus – mit riesigen Bannern:
Rosenstolz & Radio QueerLive – Das große Leben.
Philipp ließ sie über den Boden rollen. „Beide Banner – rechts und links ran!“

Als alles fertig war, holte Frau Bond eine Flasche Sekt.
„Auf uns – und auf diesen Wahnsinn!“
Da hupte es. Ein PKW und Lieferwagen standen hinter dem Truck.
Anna R stieg aus dem PKW.
„Hier kommt die Kostritzer-Brauerei – Getränke und Kühlschränke!“
Philipp schob die Hand über seine Stirn. „Bitte was?!“
Zwei Stunden später war der Wagen ein Kunstwerk aus Plüsch, Bannern, Boxen und Kühlschränken.
Anna und Philipp umrundeten den Truck.
„Er ist wunderschön“, sagte Anna.
„Ich glaub, das ist der schönste Truck der Welt“, flüsterte Philipp.
„Dann sehen wir uns morgen, auf der Straße der Freiheit“, sagte sie und stieg ins Auto.
Samstag – CSD-Tag
10 Uhr, Uhlandstraße, Kurfürstendamm.
Hunderte Fans standen um den Truck.
Überall Regenbogenflaggen, Luftballons, Musik.
Philipps Handy vibrierte.
Die junge Frau Bond war dran:
„Ich muss im Sender bleiben, unser Techniker ist krank Philipp! Du bist jetzt DJ auf dem Truck. Tom – Sicherheit!“
Dann legte sie auf.
„Ich … was?! DJ?!“, stotterte Philipp.
Tom legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du schaffst das. Du warst schon immer ein Lautmacher.“
Frank kam und zeigte auf ein rotes Knöpfchen.
„Philipp, drück den nicht vor dem Kranzler, verstanden?“
„Wieso?“
„Weil man euch sonst in Moskau hört.“
„Na, vielleicht brauchen die’s da, also Liebe ist alles!“ grinste Philipp.
Der Truck rollte an.

Hinter ihm: Hunderte, Tausende tanzende Menschen.
Rosenstolz-Remixe dröhnten über den Kudamm.
Der Himmel glitzerte, Konfetti wirbelte.
Tom winkte von der Plattform.
„Nicht so aufgeregt, DJ!“
„Ich bin total ruhig!“ schrie Philipp – und trat „aus Versehen“ gegen den roten Knopf.
Ein Bass, so tief, dass Tauben vom Dach flogen.
„IST DAS JETZT WARP 5?!“, brüllte Tom.
„WARP 9!“, lachte Philipp.
Der Truck bebte.
Selbst der Fahrer tanzte im Rhythmus.
Die Menge schrie, tanzte, jubelte.
Vorbei ging es am Wittenbergplatz, dann am Nollendorfplatz.
Dann kam die Kurve zur Bülowstraße.
Ein Kühlschrank rutschte plötzlich über den Boden.
Der Fahrer stürmte raus:
„MUSIK AUS! KEINER BEWEGT SICH! DER WAGEN KIPPT SONST!“
Philipp stoppte die Musik.
Totenstille.
Ein paar Hände schoben den Kühlschrank zurück, verzurrten alles mit Spanngurten.
Dann hupte der Fahrer hinter der Kurve – das Zeichen.
Musik an!
Und wieder tobte die Straße.
Am Brandenburger Tor hielt der Truck plötzlich an.
25 Minuten Stillstand.
Was war los?
Philipp sah Blaulicht.
Ein Krankenwagen.
Sanitäter holten Jens, den Techniker, vom Wagen.
Kurz darauf klingelte das Handy.
Die junge Frau Bond aus dem Sender:
„Philipp – war das gerade MEIN Techniker, den sie auf der Trage runtergetragen haben?!“
Philipp schluckte. „Ähm … ja.“
Pause.
„Na super. Aber wenigstens läuft die Übertragung.“
Der Truck setzte sich wieder in Bewegung.
Und Philipp legte noch einmal alles auf, was er hatte.
„Liebe ist alles“ – tausend Stimmen sangen mit.
Der Himmel über Berlin war ein Regenbogen.
Am Brandenburger Tor standen Fotografen, Kamerateams, Reporter.
Der Rosenstolz – Radio QueerLive Truck wurde zum Symbol dieses CSDs.
Am Abend, als der Truck im Tiergarten stand, saßen Philipp und Tom auf der Kante der Ladefläche.
Plüsch unter ihnen, die Stadt glitzerte.
Philipp sah zu Tom. „Ich glaub, das war das größte Leben, das ich je erlebt hab.“
Tom grinste. „Und das lauteste.“
Da kam Frau Bond um die Ecke, verschwitzt, mit Kopfhörern um den Hals.
„Ihr wart großartig. Und ich sag euch … das war erst der Anfang.“

Philipp sah auf die Papprolle, die er immer noch unter dem Arm hatte.
Er öffnete sie.
Darin: ein Plakat, signiert von Anna R und Peter Plate.
Darunter stand in goldener Schrift:
„Für Philipp, Tom und Frau Bond – Danke, dass ihr die Liebe laut macht.“
Philipp wischte sich eine Träne weg.
„Na komm“, sagte Frau Bond leise, „das feiern wir mit einem Sekt. Aber diesmal OHNE roten Knopf und in unserer Zeit.“
⌚
Zurück in der Gegenwart
Philipp schaute im Büro, in der Gegenwart angekommen auf Frau Bond. Aber das Plakat passt garantiert in keine Schublade.
Sein Blick ging auf Frau Bond.
Sie wusste was der Blick bedeutet und grinste. „Schau mal bitte in meinen Gardinenschrank hinten rechts in der Ecke.“
Philipp stürmte an ihre Garderobe, öffnete den Schrank und da war die Papperolle.
Ende – Folge 84
Das große Leben rollt durch Berlin
Nachtrag
Nach den zwei Gedenkkonzerten in der Columbiahalle war das unser Beitrag, an Anna R in dieser Woche zu denken und danke zu sagen.
Es gab mit Rosenstolz 3 Albumpremieren, 2 CSD Trucks, 5 Interviews und drei Pressekonzerte.
Sie haben uns oft auf ihre Konzerte eingeladen. Nach der zweiten Albumpremiere bekamen wir 28 Karten für ihr Konzert in der Wuhlheide.
So haben sie auch bei der Community bedankt für die Unterstützung.
Danke
Radio QueerLive