
er Polari Prize, einer der renommiertesten britischen Literaturpreise für LGBTQ+-Autor:innen, steht unter massivem Druck, nachdem zehn der 24 Nominierten sowie ein Jurymitglied ihre Teilnahme zurückgezogen haben. Auslöser ist die Nominierung des irischen Autors John Boyne – bekannt für seine Bestseller wie Der Junge im gestreiften Pyjama, aber auch für offen transfeindliche Äußerungen und seine Nähe zur milliardenschweren Autorin J.K. Rowling, die seit Jahren als Sprachrohr transfeindlicher Positionen gilt.
Boyne wurde für seine Novelle Earth nominiert. Bereits 2023 hatte er in einem Artikel zum 60. Geburtstag von Rowling erklärt, er stehe „vierkant hinter ihr“ und bezeichnete sich selbst als „TERF-Kollegen“ – TERF steht für „Transgender Exclusionary Radical Feminist“. In demselben Text behauptete er, Frauen, die Transrechte unterstützen, seien „mitschuldig an ihrer eigenen Auslöschung“ und griff zu drastischen, gewaltverherrlichenden Metaphern, inspiriert von der Serie The Handmaid’s Tale.
Harte Kritik aus der LGBTQ+-Community
Zu den Autor:innen, die ihre Nominierung zurückzogen, gehören Mae Diansangu, Sacha Coward, Sanah Ashan, Jason Okundaye, Amy Twigg, Ciara Maguire, Olumide Popoola, Robert Hamberger, Andrew McMillan und Rhian Elizabeth. Auch Jurymitglied Nicola Dinan legte ihr Amt nieder.
Sacha Coward, nominiert für Queer As Folklore, erklärte seinen Rückzug mit den Worten: „Dies ist angeblich ein Preis für ALLE LGBTQ+-Leute. Er soll Inklusion feiern. Nicht Ausgrenzung und Spaltung.“ Die Qualität von Boynes Werk sei dabei „irrelevant“ – entscheidend sei die Integrität und der Schutz der gesamten queeren Community.
Auch Bestsellerautor Patrick Ness kritisierte die Entscheidung der Jury scharf: „Man kann sich nicht als ‚Preis für LGBTQ+-Literatur‘ bezeichnen und einen selbsternannten TERF nominieren. Das ist, als würde man einen Rassisten nominieren und es als ‚andere inhaltliche Position‘ verkaufen. Transsexuelle sind eine Tatsache. Kein ‚Problem‘.“
Verteidigung durch die Organisatoren – und Rowling mischt sich ein
Die Organisatoren des Polari Prize erklärten, man schließe Bücher nicht aufgrund der „umfassenderen Ansichten eines Autors“ aus, räumten aber ein, dass die Nominierung „Aufregung und Verletzung“ verursacht habe.
Rowling selbst reagierte auf die Proteste gewohnt provokant: Sie postete den Screenshot eines offenen Briefs gegen Boyne mit dem Kommentar: „Oh, verpiss dich. Ich hoffe, jeder kauft doppelt so viele @JohnBoyneBooks, a) weil er brillant ist und b) um die Gender-Taliban zu verärgern.“
Eine Debatte mit größerer Tragweite
Die Kontroverse um Boyne und den Polari Prize steht stellvertretend für einen tiefergehenden Konflikt in der britischen Literaturszene: den Umgang mit transfeindlichen Positionen unter dem Deckmantel „unterschiedlicher Meinungen“. Kritiker:innen betonen, dass es dabei nicht um literarische Qualität, sondern um den Schutz einer marginalisierten Gruppe geht, die in Großbritannien und Irland bereits zunehmenden Angriffen auf ihre Rechte ausgesetzt ist – oft finanziert oder befördert durch einflussreiche Persönlichkeiten wie Rowling.
Der diesjährige Polari Prize dürfte damit weniger durch seine Preisträger:innen in Erinnerung bleiben als durch eine Frage, die die Kulturwelt weiter spalten wird: Wo endet Meinungsfreiheit – und wo beginnt die Verantwortung, transfeindliche Ideologien nicht zu legitimieren?
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News Redaktion