Wenn Solidarität zur Spaltung führt: „Queers for Palestine“ und die Absage der Ottawa Pride Parade

Die Pride-Bewegung versteht sich seit Jahrzehnten als ein Raum der Sichtbarkeit, der Solidarität und der Vielfalt. Sie will ein Fest der Freude, des Widerstands gegen Unterdrückung und der gegenseitigen Unterstützung sein. Umso größer ist die Enttäuschung, dass die diesjährige Pride Parade in Ottawa abgebrochen werden musste – ausgelöst durch eine Blockade der Gruppe „Queers for Palestine“ (Q4P).

Die Aktivisten hatten gefordert, dass die Organisatoren der Parade den Widerstand gegen den Krieg im Gazastreifen zu einer ihrer Prioritäten machen. Als diese Forderung nicht erfüllt wurde, blockierten die Demonstranten den Zug. Die Veranstalter sahen sich angesichts der eskalierenden Situation gezwungen, die Parade vollständig abzusagen. Zwar fanden andere Pride-Feierlichkeiten in Ottawa wie geplant statt, doch die Parade – der sichtbarste und wichtigste Teil – fiel aus.

Bürgermeister Mark Sutcliffe nannte die Entwicklungen „zutiefst bedauerlich“. Er erinnerte daran, dass Pride vor allem ein Fest der Freude, der Widerstandskraft und der Gemeinschaft sei – und dass vielen Menschen in Ottawa dieser Moment genommen wurde.

Vereinnahmung statt Solidarität?

Die Aktion von Q4P wirft grundsätzliche Fragen auf. Darf eine Gruppe eine Veranstaltung, die der queeren Sichtbarkeit gewidmet ist, blockieren, um eine politische Agenda durchzusetzen, die über die Kernanliegen der LGBTQ+-Community hinausgeht?

Die Forderung, den Nahost-Konflikt ins Zentrum einer Pride-Demonstration zu rücken, wirkt paradox. Gerade in Gaza und vielen Teilen der palästinensischen Gebiete sind queere Menschen mit massiver Unterdrückung und Gewalt konfrontiert. Liebe offen zu zeigen – sei es auf der Straße oder in einer Parade – ist dort nicht möglich, ohne Gefahr für Leib und Leben. Wer in westlichen Ländern die Pride für „Pro-Palästina“-Botschaften instrumentalisiert, vereinnahmt somit auch jene Stimmen, die im Gazastreifen selbst keine Stimme haben.

Das Dilemma der Pride-Bewegung

Die Pride-Bewegung ist seit jeher politisch, weil sie den Kampf gegen Diskriminierung und für gleiche Rechte führt. Doch sie war auch immer ein Ort, an dem Unterschiede ausgehalten und Vielfalt gefeiert werden konnten. Wenn nun externe politische Konflikte auf die Bühne drängen und das eigentliche Ziel überlagern, droht die Pride selbst zu zerbrechen.

Die Absage der Parade in Ottawa ist ein Warnsignal: Wenn Aktivismus in Vereinnahmung umschlägt, verliert man die gemeinsame Basis. An die Stelle von Solidarität tritt Spaltung.

Ein Appell an die Community

Queere Menschen weltweit brauchen sichere Räume, um sichtbar zu sein und zu feiern – gerade dort, wo das sonst unmöglich ist. Es ist ein Widerspruch, eine Pride-Parade im freien Kanada zu blockieren, während Menschen in Gaza nicht einmal Hand in Hand über eine Straße gehen können, ohne Gewalt zu riskieren.

Die Pride darf nicht zum Austragungsort geopolitischer Stellvertreterkonflikte werden. Sie ist ein Ort der queeren Emanzipation – und muss es auch bleiben. Nur so kann sie ihrem eigentlichen Ziel treu bleiben: ein Fest der Liebe, der Vielfalt und der Freiheit.

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News Redaktion