
Radio QueerLive – Eine Berliner Liebesgeschichte
Teil 18:
Nur ein Glas
Freitagabend, kurz nach zehn. Der Club SCHWUZ in Berlin-Neukölln pulsiert. Die Wände flackern im Takt der Bässe, Regenbogenlicht zittert durch die Luft, und auf der Tanzfläche tanzen Tom und Philipp – so frei wie selten.
„Ich hab’s dir doch gesagt, du brauchst mehr Glitzer in deinem Leben!“, ruft Philipp gegen den Bass.
Tom lacht. „Glitzer, okay. Aber ich zieh trotzdem keine Netzstrümpfe an.“
Beide lachen. Die Stimmung ist ausgelassen, die Drinks kalt, die Menschen freundlich. Philipp bestellt am Tresen zwei Sekt auf Eis.
„Bin gleich wieder da!“, ruft Tom und verschwindet in Richtung Toilette.
Philipp bleibt am Tresen stehen, stellt ein Glas neben sich ab, dreht sich um und winkt einem Bekannten auf der Tanzfläche zu.
Was er nicht sieht: Eine Hand taucht am unteren Bildrand auf. Pinke Fingernägel, ein grelles Armband. Etwas wird in das Glas geschüttet. Der Würfel Eis klirrt.
Philipp dreht sich wieder um. Er nimmt sein Glas, prostet in den Raum – und trinkt.
Fünfzehn Minuten später. Die Tanzfläche tobt.
Plötzlich sackt Philipp zusammen.
Er stolpert, torkelt, fällt auf die Knie. Dann kippt er zur Seite.
Ein paar Leute bleiben stehen. Schauen.
„Oh Gott, nicht schon wieder einer.“
„Junkie halt.“
„Der hat bestimmt gekokst.“
Niemand geht hin.
Bis Tom aus der Menge bricht.
„Philipp?! PHILIPP!“
Er stürzt zu ihm, kniet sich hin.
„Hey, hey, sag was!“
Philipps Augen sind glasig. Sein Atem flach. Schweiß glänzt auf seiner Stirn.
Tom zögert keine Sekunde. Er ruft ein Taxi, hebt Philipp auf, trägt ihn fast aus dem Club. Die Musik hämmert weiter. Niemand folgt ihnen.
Krankenhaus Friedrichshain. Notaufnahme. 23:42 Uhr.
„Er ist kollabiert“, keucht Tom. „Er hat nur einen Drink gehabt! Das ist kein Drogenopfer, verdammt! Schauen Sie sich das Glas an – ich hab’s mitgebracht!“
Die Krankenschwester nimmt ihm das Glas ab. Tom steht zitternd, während ein Arzt Philipp wegrollt – und ihn anhält:
„Tut mir leid, Sie dürfen hier nicht weiter. Nur Familie.“
Tom erstarrt.
„Ich bin sein Freund.“
„Es tut mir leid. Ohne Vollmacht oder Ehe… das geht nicht.“
Tom steht da wie betäubt. Dann zieht er sein Handy heraus.
„Ich ruf seine Mutter an. Und dann – Gnade euch Gott.“

Zwei Stunden später.
Die Tür zur Notaufnahme fliegt auf.
Die Mutter von Philipp stürmt herein – mit Frau Wessendorf im Schlepptau.
„Wo ist der Arzt?!“, schreit sie. „Mein Sohn liegt hier drin, sein Freund war dabei – und Sie erzählen mir, dass er draußen bleiben muss?! Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind? Das ist sein Lebenspartner. Sein Mensch!“
Die Schwester versucht zu erklären.
Die Mutter hebt eine Hand.
„Pssst. Keine Diskussion. Ich bin die Mutter. Ich bin jetzt da. Und ich sage: Er geht rein. Punkt.“
Die Schwester zögert. Dann nickt sie.
Das Zimmer ist kühl.
Philipp liegt bleich im Bett, eine Infusion tropft.
Tom tritt langsam ein, gefolgt von der Mutter.
Er nimmt Philipps Hand. Still. Schwer atmend.
Und dann – ganz sacht – bewegen sich Philipps Augen.
Er blinzelt.
„T-Tom…?“
Seine Stimme ist heiser, kaum hörbar.
Tom lächelt unter Tränen.
„Ich bin hier. Ich geh nirgends hin.“
Philipp: „Was… ist passiert…?“
Die Mutter kommt näher.
„Ein Idiot hat dir was ins Glas getan. Aber du bist stark, mein Junge.“
Philipp sieht zu Tom.
„Ich dachte, ich sterb.“
„Niemals“, sagt Tom. „Nicht solange ich dich liebe.“
Ein paar Tage später.
Philipp ist wieder zu Hause. Auf dem Tisch liegt ein neuer Zettel: „Nie allein trinken. Nur aus der Hand.“ Willi döst im Terrarium. Tom steht in der Küche, kocht Tee.
Philipp kommt hinter ihn, umarmt ihn.
„Ich will irgendwann heiraten.“
Tom dreht sich um, überrascht.
„Jetzt schon?“
Philipp grinst.
„Nein. Aber irgendwann. Damit du nie wieder draußen warten musst.“
Tom küsst ihn auf die Stirn.
„Dann heiraten wir. Irgendwann. Ganz sicher.“
Teil 18 – Ende. Morgen geht’s weiter um 20.00 Uhr