
Radio QueerLive – Eine Berliner Liebesgeschichte
Teil 19:
Zimmer frei
„Kati, bist du dir ganz sicher?“ Philipp blickt sie an, während sie die Reißverschlüsse ihrer Reisetaschen kontrolliert. Seine Stimme zittert leicht.
Kati nickt, lächelt, aber ihre Augen glänzen feucht. „Ja. Ich hab mit Mama geredet. Und mit Papa. Sie… sie wollen wirklich, dass ich wiederkomme. Und – das Beste – sie sagen, Lina darf mit einziehen.“
„Wow“, murmelt Tom, der in der Tür zum Wohnzimmer steht und sich auf den Türrahmen stützt. „Dann haben sie’s wirklich begriffen.“
Kati grinst schief. „Ich glaube, der Moment, als Mama mich im Krankenhaus gesehen hat… das hat was in ihr verändert. Sie meinte gestern am Telefon, dass es nie wieder so weit kommen darf. Dass Familie zusammenhält. Auch wenn man erstmal nicht alles versteht.“
„Ich bin stolz auf dich“, sagt Philipp und umarmt sie. „Und auf sie auch ein bisschen.“
Tom zwinkert. „Na ja… ich gebe ihnen ne Chance. Aber erst, wenn sie auch beim nächsten CSD Schilder hochhalten, auf denen ‚Kati, du bist wunderbar!‘ steht.“
Da lachen alle drei.
Draußen hupt ein Taxi. Kati atmet tief durch. „Das wird komisch… ohne euch. Ihr wart mein Zuhause.“
„Du kannst jederzeit zurückkommen“, sagt Tom und hebt den Zeigefinger. „Aber du bringst keine Koffer mit, sondern Kuchen. Mindestens zwei Sorten.“
Sie lachen wieder, und als Philipp mit zur Tür geht, steht da schon Lina mit ihrem Rucksack. Sie trägt eine Baseballkappe mit Regenbogenstreifen.
„Bereit?“, fragt sie.
„Bereiter geht nicht“, sagt Kati, nimmt ihre Hand und steigt ins Taxi.
Tom und Philipp stehen nebeneinander auf dem Gehweg, während das Taxi davonrollt.
„Und plötzlich ist es wieder ruhig“, sagt Philipp leise.
Tom schaut zur Wohnungstür. „Zu ruhig, oder?“
Am Nachmittag sitzen die beiden im Café am Märchenbrunnen. Zwei Latte Macchiato dampfen vor ihnen, die Sonne blinzelt durch die Bäume.
„Ich vermisse sie jetzt schon“, sagt Philipp. „Kati war irgendwie… laut, aber herzlich.“
Tom nickt. „Ich hab’s nie zugegeben, aber ich fand’s schön, dass sie da war. Ich meine, abgesehen von der Sache mit Willi…“
„Haha, Willi. Sag mal – ist er eigentlich in deinem Zimmer? Ich hab das Terrarium heut früh nicht gesehen.“
„Nein, keine Sorge. Er ist brav. Er frisst grad wieder besser, seit Kati ihn mal durchgefüttert hat. Scheint, als hätte er eine Schwäche für Dramaqueens.“
Sie lachen. Dann wird es kurz still.
„Weißt du“, sagt Philipp schließlich, „vielleicht sollten wir das Zimmer nicht gleich wieder vollstellen. Vielleicht… behalten wir es frei. So wie bei Kati. Für Menschen, die grad keinen Platz haben.“
Tom schaut ihn an. „Du meinst, wie… eine Art Notfallzimmer?“
„Ja. Wenn Jakob oder jemand vom Sender mal wieder sagt: Da ist wer, der braucht Hilfe – wir könnten helfen. So wie wir es für Kati getan haben.“
Tom zieht das Handy aus der Tasche. „Ich schreib Jakob gleich.“
Wenig später sitzen sie wieder zu Hause. Die Wohnung wirkt plötzlich größer, leerer – aber nicht kalt. Tom deckt den Tisch. Philipp räumt gerade ab, als es klingelt.
Beide schauen sich an.
„Erwartest du jemanden?“ fragt Tom.
„Nö. Du?“
„Auch nicht.“
Tom geht zur Tür, öffnet – und da steht er: ein junger Typ, blond, etwa 19, mit zu großem Rucksack und zögerndem Blick.

„Hi… ähm… ich bin Gustav. Jakob vom Sender meinte… ihr habt vielleicht ein Zimmer frei? Für ne Zeit. Ich… ich bin neu hier. Radio QueerLive. Praktikum. Und na ja, mein Hostel hat meine Buchung vergessen…“
Philipp tritt neben Tom. „Gustav? Komm rein.“
„Wirklich?“
„Wirklich“, sagt Tom und lächelt. „Zimmer frei – das ist ab heute wörtlich gemeint.“
Gustav tritt ein, zieht schüchtern die Jacke aus. „Ich bin auch ganz harmlos, ich schwör’s.“
„Ach“, sagt Philipp, „nach Kati und einem blauen Baumwaran kannst du uns gar nichts mehr schocken.“
Sie lachen.
Tom macht die Tür hinter Gustav zu.
Teil 19 Ende – morgen um 20 Uhr geht’s weiter bei Radio QueerLive 🏳️🌈📻