Polizeiüberwachung überschattet Budapest PRIDE

Was den Teilnehmer*innen jetzt droht

Die Bilder aus Budapest sind eindrucksvoll: Regenbogenfahnen, Slogans für Gleichheit und Liebe, ein Meer von Menschen, die für die Rechte von LGBTQ-Personen auf die Straße gehen.
Doch hinter der bunten Fassade der diesjährigen Pride-Parade in Ungarns Hauptstadt steckt ein düsterer Schatten: der massive Einsatz von Überwachungstechnologie durch die Polizei.

Mehr als 200.000 Menschen nahmen teil – trotz eines offiziellen Verbots durch die ungarische Polizei, die sich auf neue gesetzliche Grundlagen berief. Diese ermöglichen es, Veranstaltungen zu untersagen, bei denen „nicht-heterosexuelle Lebens- und Verhaltensweisen“ öffentlich gezeigt werden. Die Parade wurde somit de facto kriminalisiert – und mit ihr alle, die sich daran beteiligten.

Polizei filmte!

Wie nun bekannt wurde, war die Polizei am Tag der Veranstaltung mit zahlreichen Kamerawagen im Einsatz. Noch alarmierender: Laut dem parteilosen Oppositionsabgeordneten Ákos Hadházy kam offenbar auch Software zur Gesichtserkennung zum Einsatz. „Die nächsten Tage werden erweisen, was die Kameras können“, schrieb Hadházy auf Facebook – eine Warnung, die in der LGBTQ-Community und bei Menschenrechtsorganisationen für Unruhe sorgt.

Die Sorge: Dass die Aufnahmen nun genutzt werden, um Teilnehmende nachträglich zu identifizieren und mit Geldstrafen zu überziehen. Ein solches Vorgehen würde eine neue Qualität der Repression bedeuten – eine, die auf digitaler Überwachung basiert und gezielt gegen die Sichtbarkeit queerer Menschen gerichtet ist.

Die rechtlichen Grundlagen für dieses Vorgehen wurden unter Premierminister Viktor Orbán gezielt geschaffen. Der rechtspopulistische Regierungschef hat in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Gesetzen erlassen, die LGBTQ-Rechte massiv einschränken. Die jüngste Verschärfung erlaubt es Behörden nicht nur, Veranstaltungen zu verbieten, sondern gibt ihnen auch neue Werkzeuge zur Überwachung an die Hand.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International warnen seit Jahren vor dem Abbau demokratischer Grundrechte in Ungarn – insbesondere der Versammlungsfreiheit und des Datenschutzes. Die Kombination aus Überwachungsmaßnahmen und der gezielten Kriminalisierung von LGBTQ-Demonstrationen ist ein besorgniserregender Schritt hin zu einem autoritären Kontrollstaat.

Sollten tatsächlich Strafen gegen Teilnehmerinnen verhängt werden – etwa wegen angeblicher Ordnungswidrigkeiten oder wegen der Teilnahme an einer „illegalen Versammlung“ –, wäre das ein schwerer Rückschlag für die ungarische Zivilgesellschaft. Doch auch international könnte ein solcher Präzedenzfall alarmierende Signalwirkung entfalten: Wenn eine Regierung digitale Überwachung nutzt, um friedlichen Protest nachträglich zu bestrafen, ist das nicht nur ein Angriff auf die LGBTQ-Community – es ist ein Angriff auf das Recht aller Bürgerinnen, sich frei und ohne Angst äußern zu dürfen.

Die Pride in Budapest war ein Zeichen des Muts. Doch sie macht auch deutlich, wie sehr sich die Spielregeln in Ungarn verändert haben. Der Blick auf die nächsten Tage wird zeigen, wie weit der Staat geht – und ob die internationale Gemeinschaft bereit ist, dem zunehmenden Missbrauch von Überwachungstechnologie im Herzen Europas entschlossen entgegenzutreten.

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Die Redaktion