„Wortwahl à la Berliner CSD

Zwischen Sponsorenflut und Fußgruppe“

Liebes Publikum,

wir wurden freundlich gebeten, beim Sprechen über den Berliner CSD doch bitte das Wort „Demonstration“ zu verwenden. Kein „Event“, keine „Parade“, und schon gar kein „Kommerzfestival“.
Nein – eine Demonstration. Schließlich geht’s um Sichtbarkeit, Protest, Politik.

Klingt gut – wenn da nicht die an uns gestellte Rechnung aus dem letzten Jahr wäre, die uns wirklich überrascht hat.

Letztes Jahr wollte der CSD e.V. 3.000 Euro von Radio QueerLive – als Teilnahmegebühr, um mit einem queeren Berliner Sponsor (!) am „politischen Protestzug“ teilnehmen zu dürfen.
Ja, so teuer ist politische Teilhabe und Queere Sichtbarkeit für uns heute. Wir wollten nur mit einem kleinen 7,5 Tonnen LKW teilnehmen. Vor Corona wollte man 800 Euro und weniger.
Was so ein Virus ausmacht, man glaubt es nicht.
Aber hey, das war noch das alte Jahr. Jetzt kommt das neue Kapitel:

Weniger Sponsoren aus den USA – ach herrje, die neue US-Politik hat offenbar selbst in Berlin Spuren hinterlassen. Doch keine Sorge: Der Verein hat neue Sponsoren aufgetrieben. Und Spender*innen. Viele davon. Sie alle haben den CSD unterstützt.

Nur bleibt die große Frage: Was genau haben sie unterstützt?

Eine Bewegung? Eine Revolution? Oder einfach nur die bunteste Kommerzparade, die Berlin hergeben kann?

Auch in diesem Jahr dürfen wir uns freuen: Energiekonzerne, Fluggesellschaften, Banken – sie alle rollen wieder mit. Sichtbar. Laut. Glänzend.
Und die queeren Vereine? Die marschieren irgendwo im Schatten, in den Fußgruppen. Ohne Bühne, ohne Budget, aber mit Idealen.
Richtig verdienen tun einige Verleiher der Trucks und natürlich Berlin.
Berlin bewirbt die „Demonstration“ weltweit mit ihrer Tourismus Marketing.
Macht man das mit Demonstrationen so?
Nur, wenn man mit jedem Touri verdient und die Hand aufhält. Das bunte Dingsda ist für Berlin eine richtige Finanzspritze.

Und dann sagt uns der CSD e.V., wir sollen bitte auf unser Wording achten?
Will er uns gleich die Texte schreiben für die Sendung?

Na gut. Dann sagen wir es so:
„Am 27. Juli findet in Berlin eine kraftvolle Demonstration der Fluggesellschaften, von Energiefirmen, und Medien statt. Mit dabei: ein paar Fußgruppen aus der Community sowie Menschen die sich fragen: was ist das eigentlich wirklich?“

Wenn das kein Fortschritt ist, was dann? Ist das eine Demonstration oder kann das weg?
Aber liebe Community, wenn euch das auch seit Jahren in dieser Form nicht mehr gefällt , am gleichen Wochenende gibt es im Bundesgebiet CSDs, die sind politisch, queer und weit weniger kommerziell.

Seit 2001 hat Radio QueerLive sich an Wagen Projekten beteiligt oder eigene LKW oder Trucks auf den Weg gebracht. Große Momente waren die Trucks mit Anna und Peter von Rosenstolz.

Wie seht ihr das?

Wie kommerziell empfindet ihr den Berliner CSD?

Fahrt ihr in diesem Jahr auch zu anderen CSDs ins Bundesgebiet und sorgt dort für queere Sichtbarkeit und unterstützt die Community vor Ort?

Was sagt ihr zu einer Teilnahmegebühr von 3000 Euro für eine sogenannte Demonstration, für einen kleinen 7,5 Tonnen LKW, organisiert von einem Verein und einem Restaurant aus der Berliner Szene? Vor allem, was sagt ihr zur Erhöhung von 800 auf 3000 Euro?

Schreibt es uns bitte in die Kommentare.

Mit herzlich-ironischen Grüßen,
Radio QueerLive – wir demonstrieren noch selbst.

Radio QueerLive
Andreas