
Radio QueerLive – Eine Berliner Liebesgeschichte
Teil 33:
„Was haben wir gemacht?“
Es war ein Dienstag wie ein Sonntag.
Der Himmel über Berlin war blau, die Luft nach Sommerregen klar, und Philipp hatte frei.
Tom hatte ihn vom Sender abgeholt, und nun liefen sie unter den Linden entlang. Hand in Hand. Zwischen Touri-Gruppen, Botschaften und Bussen voller Selfiesticks.
„Weißt du, was ich an Mitte liebe?“, fragte Philipp. „Dass es aussieht wie die Bundesrepublik sich selbst.“
Tom grinste. „Das ist entweder sehr poetisch oder sehr kritisch gemeint.“
„Beides. Guck mal, da drüben das Kronprinzenpalais. Schöne Fassade, aber innen war mal alles leer.“
Tom blieb kurz stehen. „Du bist heute in politischer Stimmung.“
Philipp lachte. „Nein, aber mein T-Shirt ist es.“
Er trug es mit voller Absicht: ein schlichtes, weißes Shirt – mit einem großen, leuchtenden Regenbogen in der Mitte. „So kann mich wenigstens keiner übersehen.“
Berliner Sommer, offen & sichtbar
Sie liefen weiter vorbei an Touristen mit Sandalen, Kindergruppen mit Eis, einem Saxophonspieler, der „Somewhere Over the Rainbow“ blies.
„Kitschalarm!“, rief Philipp, blieb aber stehen und drückte Tom einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
Dann passierte es.
Der Parteistand
Ein blauer Schirm. Ein Falttisch mit Flyern. Drei Männer in Hemden, die aussahen, als hätten sie nie freiwillig gelächelt. Und eine große Tafel, auf der stand:
„Tradition schützen – Werte bewahren!“
„Ach guck“, sagte Tom leise. „Die AfD auf Werbetour.“
„Mitten in Berlin. Auf unserem Bürgersteig“, sagte Philipp.
„Auf jedem Bürgersteig“, ergänzte Tom trocken.
Sie gingen Hand in Hand weiter – und spürten, wie die Blicke der drei Männer sich an ihnen festhakten wie Klett. Kein Wort. Aber kalte Augen.
Philipp blieb plötzlich stehen.
„Was machst du?“, fragte Tom.
„Ich frag sie was“, sagte Philipp. „Bleib hier.“
Konfrontation auf Augenhöhe
Er ließ Toms Hand los und trat an den Stand. Die drei Männer sahen auf. Einer musterte sein T-Shirt. Der andere verzog den Mund. Der dritte wollte gerade einen Flyer hinhalten.
„Hallo“, sagte Philipp. Freundlich. Deutlich.
„Ich wollte nur mal fragen… was haben wir gemacht?“
Die Männer sahen sich an. Der eine schnaubte. Der zweite räusperte sich. Der dritte verzog das Gesicht. Dann sagte der in der Mitte:
„Niemand hat was gegen Schwule. Aber muss das hier sein? In der Öffentlichkeit?“
Der rechte nickte: „Macht das halt zu Hause. Das will doch keiner sehen.“
„Das ist eklig“, sagte der dritte. „Ganz ehrlich.“
Philipp antwortete ruhig: „Sie finden uns eklig, weil wir uns lieben? Weil wir sichtbar sind?“
„Nee“, sagte der erste, „weil ihr uns das aufdrückt. Immer und überall. Das ist doch nicht normal.“
Ein Kuss als Antwort

In dem Moment trat Tom dazu.
Er hatte nur die Worte „Schwule“ und „eklig“ gehört.
Er legte Philipp die Hand auf die Schulter.
Dann sah er ihn an. Ganz direkt.
Und sagte:
„Darf ich dich mal kurz öffentlich eklig küssen?“
Philipp grinste. „Bitte.“
Und sie küssten sich.
Mitten auf dem Bürgersteig.
Unter den Linden.
Direkt vor dem AfD-Stand.
Und sie hörten nicht nach zwei Sekunden auf.
Nicht nach fünf.
Nicht nach zehn.
Es war kein flüchtiger Beweis – es war ein Statement.
Die drei Männer hinter dem Stand starrten entsetzt.
Einer drehte sich weg.
Der nächste murmelte was von „Unverschämtheit“.
Der dritte sagte laut: „Widerlich, was man sich heutzutage gefallen lassen muss.“
Tom löste sich langsam von Philipp.
„Ich glaub, das war mein politischster Kuss seit 2015.“
Philipp lachte leise. „Und mein stolzester.“
Ein Eis auf uns
Sie gingen weiter.
Ohne sich umzudrehen.
Zwei Straßen später blieb Philipp stehen.
„Weißt du was? Für diesen Einsatz für die Community… haben wir uns was verdient.“
Tom hob die Brauen.
Philipp grinste:
„Ich lad dich auf ein Eis ein.“
„Mit Streuseln?“
„Mit allem.“
Sie bogen in die Friedrichstraße ein – Seite an Seite.
Hinter ihnen blieb ein Parteistand stehen.
Aber sie gingen weiter.
Ende von Teil 33
Ein Kuss sagt mehr als tausend Diskussionen – und ein Eis schmeckt besser als jeder Kompromiss.
Morgen geht’s weiter um 20.00 Uhr