
Warum die Umbenennung der USNS Harvey Milk Fragen aufwirft
Mitten im Pride Month verkündete das US-Verteidigungsministerium die Umbenennung der USNS Harvey Milk, jenem Schiff, das 2016 feierlich nach dem ermordeten LGBTQ+-Bürgerrechtler benannt wurde. Die Begründung: Die Benennung sei eine „ideologisch motivierte Aktion“, Schiffe der US-Marine sollten nicht nach Bürgerrechtsführern benannt sein. Was folgte, war jedoch kein allgemeines Projekt der Umbenennung – sondern eine auffällig einseitige Entscheidung.
Zwar wurde erklärt, dass auch andere Schiffe mit Namen von Bürgerrechtler*innen – darunter Sojourner Truth, John Lewis, Dolores Huerta oder Medgar Evers – von der neuen Regelung betroffen sein sollten. Doch bislang wurde nur die USNS Harvey Milk tatsächlich umbenannt. Ein Signal, das viele als gezielt und diskriminierend empfinden.
Die Argumentation des Verteidigungsministeriums wirkt konstruiert: Man wolle Neutralität wahren und sich nicht „ideologisch vereinnahmen“ lassen. Doch Neutralität ist nicht ideologiefrei, wenn sie selektiv angewendet wird. In einer Zeit, in der andere militärische Einrichtungen weiterhin nach Präsidenten, Generälen und selbst umstrittenen historischen Persönlichkeiten benannt werden, mutet es seltsam an, gerade den Namen eines der ersten offen schwulen Politiker der USA entfernen zu wollen.
Ein Sprecher der Marine bezeichnete die Namensgebung nach Milk gar als „abscheulich“. Die Wortwahl allein offenbart eine tief sitzende Abneigung gegen LGBTQ+-Sichtbarkeit – und lässt Zweifel an der offiziellen Begründung aufkommen. Wenn das Projekt wirklich der ideologischen Neutralität dienen sollte, warum wurde es dann nach nur einer Änderung gestoppt?
Die Entscheidung trifft auf Widerstand – nicht nur aus der LGBTQ+-Community. Senatorin Tammy Baldwin, selbst offen lesbisch, stellte in einer Anhörung kritische Fragen an Verteidigungsminister Pete Hegseth, der sich auf eine generelle Ablehnung von „Aktivistennamen“ berief. Doch diese Argumentation greift zu kurz. Bürgerrechtler*innen wie Milk oder Lewis stehen nicht für parteipolitische Positionen, sondern für Grundwerte wie Gleichheit, Mut und Menschenwürde – Werte, die jede Demokratie verteidigen sollte, auch auf See.
Die gezielte Entfernung von Harveys Milks Namen inmitten des Pride Month ist mehr als ein verwaltungstechnischer Schritt. Sie ist ein politisches Signal. Und es sagt jenen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, unmissverständlich: Ihr seid nicht willkommen. Zumindest nicht als Teil der nationalen Erzählung, nicht auf unseren Schiffen, nicht in unserer Geschichte.
Die USNS Harvey Milk sollte ein Symbol sein – für Fortschritt, Sichtbarkeit und die Anerkennung queerer Menschen als Teil des amerikanischen Erbes. Dass ausgerechnet dieser Name zuerst verschwindet, lässt befürchten, dass unter dem Deckmantel der „Neutralität“ eine gezielte Auslöschung stattfindet.
Fazit: Wer Sichtbarkeit entfernt, betreibt Politik – und nicht Neutralität. Die Entscheidung des Verteidigungsministeriums wirft grundlegende Fragen darüber auf, welche Geschichten erzählt – und welche gelöscht werden sollen. Die USA verdienen eine Marine, die für alle Amerikaner*innen steht – auch für Harvey Milk.
Radio Queerlive
News-Redaktion