
Symbol der Vielfalt oder Gefahr im Straßenverkehr?
Ein Streit um farbige Fußgängerüberwege spaltet derzeit erneut die amerikanische Öffentlichkeit. Der Nachfolger von Pete Buttigieg im US-Verkehrsministerium hat kürzlich Gouverneure in mehreren Bundesstaaten dazu aufgefordert, sogenannte „Regenbogen-Zebrastreifen“ zu entfernen – mit der Begründung, sie seien potenziell tödlich. Doch Beweise für diese Behauptung bleibt die Behörde schuldig.
Bereits 2019 hatte die Federal Highway Administration (FHWA) unter Berufung auf Sicherheitsbedenken die Stadt Ames im Bundesstaat Iowa dazu aufgefordert, einen Pride-Zebrastreifen zu entfernen. In einem Schreiben hieß es, die farbenfrohen Markierungen könnten „ablenkend“ wirken und „die Sicherheit von Fußgängern und Autofahrern gefährden“. Es wurde argumentiert, dass solche Kunstaktionen das Verhalten im Straßenverkehr negativ beeinflussen könnten – etwa durch Verweilen auf der Straße oder unvorhersehbares Überqueren.
Doch konkrete Daten oder Studien, die eine erhöhte Unfallgefahr belegen, fehlen. Kritiker werfen der Behörde daher vor, politische oder ideologische Motive hinter der Warnung zu verstecken – zumal die Zuständigkeit der FHWA für lokale Straßen wie in Ames zweifelhaft ist. Die Stadt lehnte die Forderung damals ab.
Regenbogen-Zebrastreifen – oft gestaltet in den Farben der LGBTQ+-Pride-Flagge – gelten vielerorts als öffentliches Zeichen für Vielfalt, Inklusion und die Sichtbarkeit queerer Menschen. Sie sind weltweit zu finden, auch in vielen Städten Europas. In den USA sind sie jedoch regelmäßig Zielscheibe gezielter Vandalismusakte – wie in Delray Beach, Florida.
Dort wurde ein solcher Überweg gleich zweimal in wenigen Jahren von jungen Männern mit Trucks zerstört. Die Täter führten sogenannte „Burnouts“ aus, bei denen Reifen durchdrehend über die Farben schleifen und schwarze Spuren hinterlassen. Beide Täter – Dylan Reese Brewer und Alexander Jerrich – waren zur Tatzeit 19 Jahre alt, beide trugen MAGA-Fahnen an ihren Fahrzeugen, und beide mussten sich vor Gericht verantworten.
Während Brewer eine Schadensersatzzahlung von 6.000 Dollar leisten musste, wurde Jerrich zu zwei Jahren Bewährung und 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Das Gericht verordnete ihm außerdem eine psychiatrische Begutachtung sowie einen Aufsatz über das Massaker im Pulse-Nachtclub von Orlando – ein zutiefst traumatisierender Anschlag auf die LGBTQ+-Community im Jahr 2016. Doch eine Verurteilung wegen eines Hassverbrechens blieb aus. Die Begründung: Die zerstörte Regenbogenfläche gehöre der Stadt – nicht einer Einzelperson. Damit greife das Hate-Crime-Gesetz des Bundesstaats Florida nicht.
Für LGBTQ+-Aktivisten wie Rand Hoch vom Menschenrechtsrat des Palm Beach County ein unhaltbarer Zustand: „Die Verunstaltung eines Denkmals für die LGBTQ+-Community sollte als Hassverbrechen gewertet werden.“ Dass die Justiz trotz erkennbar politisch motivierter Tat kein Signal setzt, wirke auf viele wie ein institutionelles Wegsehen.
Die Debatte um die Regenbogen-Zebrastreifen spiegelt ein tieferliegendes gesellschaftliches Ringen wider: Geht es um Verkehrsordnung – oder um kulturellen Rückschritt? Handelt es sich um gut gemeinte Sicherheitsbedenken oder eine gezielte Delegitimierung queerer Sichtbarkeit im öffentlichen Raum?
Bis auf Weiteres sind Regenbogen-Zebrastreifen in vielen Städten noch erlaubt. Doch der Vorstoß aus Washington zeigt: Die kulturellen Zeichen auf dem Asphalt sind längst Teil eines politischen Schlagabtauschs geworden – zwischen Fortschritt und Rückschritt, Sichtbarkeit und Stigmatisierung. Wer in diesem Streit am Ende Vorrang erhält, bleibt offen. Doch die Debatte ist längst auf offener Straße angekommen.
Radio Queerlive
News-Redaktion