Friedrich Merz

Der Kanzler der widersprüchlichen Botschaften

Friedrich Merz gibt sich neuerdings als Verteidiger queerer Rechte. In der Regierungsbefragung im Bundestag erklärte er: „Wir tun alles, um Menschen, die queer sind, ein gutes und auch ein sicheres Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.“

Eine Aussage, die auf den ersten Blick Haltung zeigt – auf den zweiten jedoch tiefen Zweifel weckt. Denn sie folgt auf eine Äußerung, die nicht nur herablassend wirkte, sondern ein fatales Signal sendete: Der Bundestag sei „kein Zirkuszelt“, sagte Merz mit Blick auf die Debatte um das Hissen der Regenbogenfahne am Reichstagsgebäude während des Christopher Street Day.

Diese Wortwahl war nicht nur unglücklich – sie war bezeichnend. Wer die Sichtbarkeit queerer Menschen in einem demokratischen Symbolakt mit einem „Zirkus“ vergleicht, offenbart, wie wenig Verständnis und Respekt für Vielfalt in der politischen DNA dieses Kanzlers verankert sind. Der Versuch, sich nun mit allgemeinen Floskeln gegen Diskriminierung zu positionieren, wirkt nicht glaubhaft. Im Gegenteil: Es drängt sich der Verdacht auf, dass es sich um einen taktischen Rückzieher handelt, motiviert durch den öffentlichen Druck und die berechtigte Empörung.

Merz mag sich bemühen, die Rhetorik zu korrigieren – aber die Substanz fehlt. Auch in der Antwort auf die drängende Frage zur Suizidprävention bei queeren Jugendlichen flüchtete sich der Kanzler in Zuständigkeitsdebatten. „Der Bund kann und darf nicht alles lösen.“ Ein Satz, der kaltschnäuzig klingt, wenn es um das Leben junger Menschen geht, die unter Ausgrenzung, Diskriminierung und psychischer Belastung leiden.

Und ist es nicht symptomatisch für die Politik von Friedrich Merz, Versprechen zu geben – und sie dann nicht zu halten? Der CDU-Chef ist kein unbeschriebenes Blatt, wenn es um gebrochene Zusagen geht. Wer erinnert sich nicht an seine vollmundige Ankündigung, die CDU zu einer „modernen Volkspartei“ zu machen? Was daraus wurde, ist ein Kurs, der sich rückwärtsgewandt an konservative Reflexe klammert. Auch im Wahlkampf versprach Merz eine Politik der „Mitte“. Doch sobald es unbequem wird, driftet er nach rechts – nicht nur rhetorisch, sondern auch inhaltlich.

Es fällt schwer, diesem Kanzler zu glauben, wenn er plötzlich Empathie für die queere Community bekundet. Glaubwürdigkeit entsteht nicht durch späte Worte, sondern durch konsequentes Handeln. Und daran mangelt es. Wer ausgerechnet in der Woche des CSD die Regenbogenfahne nicht auf dem Reichstag wehen lassen will, offenbart eine symbolpolitische Ignoranz, die nicht einfach mit einem Statement im Bundestag überdeckt werden kann.

Friedrich Merz kann viele Reden halten – entscheidend ist, wofür er wirklich steht. Und bis heute bleibt der Eindruck bestehen: Für queere Rechte steht er nur dann ein, wenn es ihm politisch gerade nicht schadet. Das ist zu wenig. Und es ist gefährlich in einer Zeit, in der Rechte von Minderheiten weltweit unter Druck geraten. Deutschland braucht keinen Kanzler, der bei Gegenwind einknickt – sondern einen, der Flagge zeigt. Und zwar nicht nur am 17. Mai, sondern jeden Tag.

Kommentar:

Wer Friedrich Merz beim Wort nehmen will, muss zuerst durch eine Mauer aus widersprüchlichen Botschaften, leerer Symbolik und gebrochenen Versprechen. Vertrauen sieht anders aus.

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Die Redaktion