
Bundestagsverwaltung greift durch – Queere Sichtbarkeit gerät unter Druck
Im Deutschen Bundestag sorgt derzeit eine Entscheidung der Verwaltung für Aufsehen: Abgeordnete wurden dazu aufgefordert, Regenbogenflaggen aus ihren Büros zu entfernen – mit Verweis auf die Hausordnung. Was offiziell als „Routinevorgang“ deklariert wird, empfinden viele Betroffene und Beobachter*innen als politischen Affront gegen Sichtbarkeit, Vielfalt und die queere Community.
Sichtbare Symbole der Vielfalt – und ihr Verschwinden
In mehreren Büros von Abgeordneten hingen Regenbogenfahnen – zum Teil im Fenster, zum Teil innen sichtbar. Die Reaktion der Bundestagsverwaltung: telefonische oder schriftliche Aufforderungen zur Entfernung der Flaggen. Hintergrund ist die Hausordnung, die das Anbringen von Aushängen, Plakaten oder Symbolen an Fenstern, Türen oder von außen sichtbaren Fassaden verbietet.
Neben Flaggen mussten auch kleinere Symbole – etwa Regenbogen-Aufkleber an Türen – entfernt werden. In mindestens einem Fall wurde sogar die Bundestagspolizei hinzugezogen, um zu prüfen, ob der Aufforderung Folge geleistet wurde.
Offizielle Begründung: Hausordnung und Neutralität
Die Verwaltung verweist auf eine generelle Regelung: Demnach seien alle sichtbaren Aushänge – unabhängig vom Inhalt – nicht erlaubt. Es gehe nicht konkret um die Regenbogenfahne, sondern um die Durchsetzung einer einheitlichen Ordnung. Solche Vorgänge kämen regelmäßig vor.
Doch dieser Verweis auf Neutralität überzeugt viele nicht. Denn es ist längst nicht der erste Vorfall dieser Art, bei dem queere Sichtbarkeit eingeschränkt wird.
Der Eindruck: Sichtbarkeit queerer Themen wird unterdrückt
Innerhalb des Parlaments wächst der Eindruck, dass sich das Klima verändert hat. Flaggen, Sticker und sogar harmlose Fotoaktionen mit queeren Symbolen werden zunehmend untersagt – und das nicht nur im Zusammenhang mit der Bürogestaltung. Selbst geplante Fotos mit Regenbogenfahne mussten auf Flächen außerhalb des Bundestags verlegt werden.
Zugleich dürfen Vertreter rechtsextremer Gesinnungen ungestört ihren parlamentarischen Alltag bestreiten – während das Zeigen einer queeren Flagge zur Ordnungswidrigkeit erklärt wird.
Ein Symbol mit Bedeutung – weit über Dekoration hinaus
Die Regenbogenflagge ist kein beliebiger Stoff. Sie steht für Respekt, Toleranz, Menschenrechte – und für die lange, oft mühsame Geschichte der queeren Emanzipation. Gerade im Herzen einer demokratischen Institution sollte das öffentliche Bekenntnis zu diesen Werten nicht verhindert, sondern geschützt werden.
In einer Zeit, in der queere Menschen weltweit wieder verstärkt unter Druck geraten, ist jede Einschränkung ihrer Sichtbarkeit ein fatales Signal.
Rückschritt statt Fortschritt?
Die jetzigen Vorfälle reihen sich ein in eine Reihe von Entscheidungen, bei denen queere Sichtbarkeit bewusst eingeschränkt wurde. So wurde kürzlich beschlossen, zum Berliner Christopher Street Day keine Regenbogenflagge am Bundestag zu hissen. Auch die Teilnahme eines queeren Bundestagsnetzwerks am Berliner CSD wurde mit Hinweis auf die Neutralitätspflicht untersagt.
Diese Entscheidungen stoßen auf massive Kritik – nicht nur von queeren Abgeordneten, sondern auch von weiten Teilen der Zivilgesellschaft.
Fazit: Wer Regenbogenflaggen verbannt, signalisiert Rückzug
Wenn Vielfalt im Parlament zur Störung erklärt wird, offenbart das nicht nur ein problematisches Verständnis von Neutralität, sondern auch eine gefährliche Schieflage in der Wahrnehmung demokratischer Werte. Die Entscheidung, Regenbogenflaggen zu entfernen, ist keine bloße Formalität – sie ist ein Statement.
Ein Parlament, das sich Demokratie, Freiheit und Menschenwürde verpflichtet sieht, sollte nicht vor Farben zurückschrecken – sondern sie verteidigen.
Radio QueerLive
Die Redaktion