Sonderregister für Transpersonen

Ein gefährlicher Rückschritt

Ein aktueller Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium plant eine tiefgreifende Änderung im Umgang mit geschlechtlicher Selbstbestimmung.

Künftig sollen Änderungen des Geschlechtseintrags im Melderegister dauerhaft kenntlich gemacht und über spezielle Datenfelder gespeichert werden. Damit würde ein Sonderregister entstehen, das trans, inter und nicht-binäre Menschen langfristig identifizierbar macht – ein Schritt, der unter Jurist:innen, Aktivist:innen und Verbänden auf breite Ablehnung stößt.

Das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz, das im November 2024 in Kraft trat, sollte den Schutz der persönlichen Daten sowie die freie Entscheidung über den Geschlechtseintrag stärken. Stattdessen konterkariert der neue Vorstoß aus dem Innenministerium dieses Ziel, indem er frühere Einträge maschinenlesbar dokumentieren lässt. Das Melderegister würde auf diese Weise nicht nur als Verwaltungsinstrument, sondern auch als potenzielles Kontrollmittel fungieren.

Besonders problematisch ist die Tatsache, dass auf die erweiterten Datenfelder nicht nur Meldebehörden, sondern auch weitere staatliche Stellen wie Rentenversicherung und Steuerbehörden zugreifen könnten. Dies schafft eine technische Infrastruktur, die eine nahezu lückenlose Rückverfolgbarkeit ermöglicht – unabhängig davon, ob diese Information in der jeweiligen Situation überhaupt notwendig ist. Der Grundsatz der Datensparsamkeit würde damit aufgegeben.

In der Praxis bedeutet diese Entwicklung, dass trans Menschen auch Jahre nach ihrer Geschlechtsänderung durch Behörden als solche erkennbar bleiben. In einem gesellschaftlichen Klima, das zunehmend von Polarisierung und wachsender Queerfeindlichkeit geprägt ist, verstärkt dies die Gefahr von Diskriminierung im Alltag – etwa im Umgang mit staatlichen Stellen, im Berufsleben oder bei der Wohnungsvergabe.

Historisch betrachtet weckt der Entwurf zudem Erinnerungen an hochproblematische Praktiken früherer deutscher Staaten.

In der NS-Zeit wurden sogenannte Rosa Listen geführt, in denen Homosexuelle und andere queere Menschen systematisch erfasst wurden – mit verheerenden Folgen. Auch in der alten Bundesrepublik und der DDR gab es staatliche Überwachungsmechanismen gegenüber sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten. Die technische Möglichkeit, Menschen über ihr früheres Geschlecht zu identifizieren, birgt eine ähnliche Gefahr: Was heute als Verwaltungshilfe bezeichnet wird, kann morgen zur Grundlage repressiver Politik werden – abhängig davon, wer die politische Macht innehat.

Ein derartiges Sonderregister widerspricht den Prinzipien von Menschenwürde, Datenschutz und Gleichbehandlung. In einer demokratischen Gesellschaft darf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit kein Grund für dauerhafte Dokumentation oder Rückverfolgbarkeit sein. Die Einführung technischer Mittel, die eine potenzielle Stigmatisierung ermöglichen, stellt einen eklatanten Rückschritt in der Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt dar.

Der Schutz sensibler personenbezogener Daten – insbesondere solcher, die die geschlechtliche Identität betreffen – muss oberste Priorität haben. Eine Gesellschaft, die es mit Gleichberechtigung ernst meint, braucht keine Sonderregister, sondern Strukturen, die Vertrauen schaffen und Diskriminierung abbauen. Der aktuelle Entwurf aber geht genau in die entgegengesetzte Richtung – und öffnet gefährliche Türen, die längst geschlossen gehören.

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Die Redaktion