
Radio QueerLive – Eine Berliner Liebesgeschichte
Teil 12:
Willkommen, Kathi
Ein milder Sonntagnachmittag im Prenzlauer Berg. Die Sonne wirft weiche Schatten durch das dichte Blätterdach am Märchenbrunnen. Philipp und Tom sitzen entspannt auf einer Bank, mit Latte Macchiato im Becher und dem kleinen, burgundroten Kofferradio zwischen sich. Leise klingt die Nachmittagssendung von Radio QueerLive.
Tom lehnt sich zurück und schließt für einen Moment die Augen. „Berlin kann manchmal so friedlich sein“, sagt er. Philipp lächelt. „Ja. So sollte es öfter sein.“
Plötzlich ändert sich die Stimme im Radio. Moderator Jakob wird ernst:
„Wir haben heute einen dringenden Aufruf. Eine junge Frau, 18 Jahre alt, hat sich gestern bei ihren Eltern geoutet – sie ist lesbisch. Zehn Minuten später haben sie sie vor die Tür gesetzt. Kein Geld, keine Unterkunft, keine Hilfe. Sie heißt Kathi. Wir suchen dringend jemanden, der ihr kurzfristig ein Zimmer anbieten kann. Wer helfen kann, bitte meldet euch direkt bei uns im Studio.“
Tom und Philipp blicken sich an. Einen Moment lang sagt keiner etwas. Dann nimmt Philipp den Latte-Becher runter von der Lehne.
„Wir haben doch das kleine dritte Zimmer, oder?“, sagt er leise.
Tom nickt. „Es ist zwar nicht groß… aber es ist warm. Und sicher.“
„Und es hat eine Tür zum Zumachen“, ergänzt Philipp und lächelt schief.
Zehn Minuten später rufen sie bei Radio QueerLive an – und wenig später stehen sie schon in der Redaktion. Dort sitzt Kathi, die blasse junge Frau mit dunklen Augenringen, die sich sichtlich bemüht, nicht zu weinen. Ihre Sporttasche steht zu ihren Füßen, das Handy in der Hand – ausgeschaltet.
„Hi“, sagt Tom vorsichtig. „Ich bin Tom. Das ist Philipp. Wir wohnen im Prenzlauer Berg – und falls du willst… das dritte Zimmer gehört erstmal dir.“
Kathi schaut hoch. Zögerlich. Dann ganz vorsichtig: „Danke. Ich… ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“
„Gar nichts“, sagt Philipp. „Einfach mitkommen.“
Die Straßenbahn rattert langsam über die Prenzlauer Allee, während draußen das Abendlicht die Fassaden golden einfärbt. Kathi sitzt zwischen Tom und Philipp. Ihre Sporttasche klemmt auf dem Schoß. Sie wirkt ruhiger, aber immer noch wie jemand, der jederzeit durch eine falsche Bewegung wieder in sich zusammenfallen könnte.
„Das mit dem Zimmer… also… ich zahl euch das, wenn ich kann“, sagt sie irgendwann leise.
„Kathi“, unterbricht Tom sie freundlich, „du brauchst erstmal Sicherheit. Keine Rechnung.“
Philipp nickt. „Du hast Familie verloren. Dann bekommst du jetzt einfach eine neue.“
Kathi sieht kurz zur Seite. Dann lächelt sie – ganz zart.
Die Altbauwohnung in der Nähe der Christburger Straße ist warm, aufgeräumt und voller Pflanzen. Das dritte Zimmer ist klein, aber hell – ein Einzelbett, ein Schreibtisch, ein Regal, das Philipp schon mit ein paar Büchern gefüllt hat.
„Ich hab sogar die Heizung aufgedreht“, sagt Tom. „Obwohl ich das sonst nur im Januar mache.“
Kathi lacht zum ersten Mal. „Danke. Echt jetzt.“
„Und jetzt kommt das Wichtigste“, sagt Philipp, „Abendessen.“
In der Küche duftet es nach Tomaten und geröstetem Brot. Sie essen gemeinsam Nudeln mit Sojasahne, sprechen über Musik, peinliche erste Dates, über schlechte Serienenden und gute Kaffeesorten.
Dann steht Philipp auf. „Es gibt da noch jemanden, den du kennenlernen musst.“
Kathi sieht ihn fragend an.
Philipp geht zur Tür neben dem Wohnzimmer. Dort steht ein großes Terrarium – mit Wärmelampe, Ästen, Steinplatte. Und mittendrin: ein leuchtend blauer Baumwaran, der langsam seinen Kopf hebt und zur Scheibe krabbelt.
„Das“, sagt Philipp stolz, „ist Willi.“
Kathi tritt einen Schritt näher, staunt. „Der ist ja… wunderschön.“
„Aber sehr eigen“, murmelt Tom und reibt sich instinktiv die linke Hand.
Philipp grinst. „Er ist nicht giftig. Nur launisch. Er mag eigentlich nur mich. Aber vielleicht… dich auch.“
Willi hebt den Kopf, legt ihn schief – und scheint Kathi aufmerksam zu mustern.
„Na super“, sagt Tom trocken. „Jetzt guckt er schon wieder so.“
„Willkommen bei uns, Kathi“, sagt Philipp.
„Mit allem, was dazugehört“, fügt Tom hinzu – und prostet ihr mit seinem Wasserglas.

Ende Teil 12.
Morgen geht’s weiter um 20.00 Uhr.