
Zehn Jahre Verbot, zehn Jahre Widerstand
Istanbul, Juni 2025
Über 50 Festnahmen auf illegaler Pride Veranstaltung , darunter auch Journalisten in Istanbul.
Was einst als eine der größten Pride-Paraden im muslimisch geprägten Raum galt, ist seit zehn Jahren de facto verboten: Die Istanbul Pride. Auch in diesem Jahr wurde der Versuch, für Vielfalt, Sichtbarkeit und queere Rechte auf die Straße zu gehen, von der türkischen Regierung im Keim erstickt. Wieder kam es zu Polizeiaktionen, Platzverweisen und Festnahmen. Doch der Widerstand lebt – trotz Repression.
Zehn Jahre Verbot – und kein Ende in Sicht
Noch vor einer Dekade zogen Zehntausende Menschen durch die Straßen Istanbuls, feierten bunt und laut ihre Existenz und forderten Gleichstellung. Die Istanbul Pride war Symbol einer aufblühenden queeren Bewegung in der Türkei. Doch seit 2015 steht die Veranstaltung unter einem scharfen Verbot. Offiziell wird das Verbot mit „Sicherheitsbedenken“ begründet – inoffiziell ist es ein deutliches Zeichen für die systematische Verdrängung queerer Sichtbarkeit aus dem öffentlichen Raum.
Auch in diesem Jahr ließen die Behörden keine größere Versammlung zu. Die Veranstalter:innen waren gezwungen, den Ort der Demonstration mehrmals zu ändern, um überhaupt kleine Zusammenkünfte zu ermöglichen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz, Straßen wurden abgesperrt, Versammlungen aufgelöst, Aktivist:innen in Gewahrsam genommen. Bilder von Festnahmen und chaotischen Szenen machten erneut international die Runde.
Mutige Stimmen trotz Angst
Trotz der Repression ließen sich Aktivist:innen nicht zum Schweigen bringen. In kleinen Gruppen, über soziale Medien, mit Regenbogenfahnen aus Fenstern oder stillen Aktionen im öffentlichen Raum wurde ein Zeichen gesetzt: Istanbul schweigt nicht.
LGBT in Angst
Viele queere Menschen in der Türkei berichten von wachsender Angst, aber auch von wachsendem Zusammenhalt. In einem Klima von Verboten, Polarisierung und staatlicher Kontrolle wird jede kleine Geste des Widerstands zur politischen Tat.
Internationale Solidarität gefordert
Menschenrechtsorganisationen und queere Gruppen weltweit verurteilen die anhaltende Repression in der Türkei. Amnesty International und Human Rights Watch fordern seit Jahren ein Ende des Pride-Verbots.
Die Istanbul Pride sei mehr als ein Festival – sie sei ein Symbol für Meinungsfreiheit, Versammlungsrecht und Menschenwürde.
In zahlreichen Städten weltweit wurde am Wochenende in Solidarität mit der queeren Community in der Türkei demonstriert – unter anderem in Berlin, Amsterdam, Toronto und Athen.
Fazit: Repression schafft keine Unsichtbarkeit
Was bleibt, ist ein bedrückendes Bild: ein autoritärer Staat, der auf friedliche Demonstrationen mit Gewalt reagiert. Aber auch ein Bild von Mut, Widerstand und Hoffnung. Zehn Jahre Verbot haben die Istanbul Pride nicht ausgelöscht – sie haben sie politischer gemacht. Und selbst inmitten von Polizeiketten und Tränengas bleibt sie ein starkes Symbol: Für Sichtbarkeit. Für Liebe. Für das Recht, zu sein, wer man ist.
Die Istanbul Pride 2025 zeigt einmal mehr, dass queere Rechte keine Selbstverständlichkeit sind – weder im Westen noch anderswo. Wer heute schweigt, wenn andere zum Schweigen gebracht werden, gefährdet auch die eigene Freiheit. Internationale Aufmerksamkeit und Solidarität sind wichtiger denn je.
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Die Redaktion